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Reingekracht: Familien-Bullshit-Bingo (German Edition)

Reingekracht: Familien-Bullshit-Bingo (German Edition)

Titel: Reingekracht: Familien-Bullshit-Bingo (German Edition)
Autoren: Kooky Rooster
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hatte doch nicht vor … Er hatte!
    Warum auch immer er das tat, vielleicht nahm er seine Rolle sehr ernst, er küsste mich. Seine Lippen lagen plötzlich auf meinen, weich und mit sanftem Nachdruck. Es war mehr als ein flüchtiges Küsschen, wie man es zur Begrüßung gab, oder um jemandem zum Geburtstag zu gratulieren. Wenn auch ohne Zunge so spielte er mit meinen Lippen, variierte den Druck, setzte mehrere kleine Küsse nach, streifte dabei über meinen Mund. Ich hielt den Atem an, spürte dafür aber seinen.
    Als es vorbei war zuckte mein Blick nervös zum Rückspiegel, ob Julia das gesehen hatte – aber sie blickte konzentriert auf die Straße. Erleichtert schaute ich zu Onkel Wolf und stellte verwundert fest, dass auch er sich auf den Verkehr konzentrierte. Aber … Aber wenn niemand hergesehen hatte, warum hatte Patrick mich dann … Warum hatte er mich
geküsst
? Das war ja gar nicht
notwendig
gewesen! Perplex starrte ich ihn an, aber er lächelte bloß und zwinkerte mir zu.
    Ich fühlte einen Stich im Bauch. Hieß das …? Aber das konnte doch nicht sein! Er war doch der Freund meiner Schwester! Oder ging es bei dieser ganze Verarsche nur um mich? War
ich
derjenige, der hier an der Nase herumgeführt wurde? Mir wurde schlecht vor Aufregung und Verwirrung, und ich hatte das Gefühl zu fallen, ewig zu fallen, ohne Aufprall – vorerst.
    Wir erreichten das Grundstück meiner Eltern. Darauf stand ein liebloses Einfamilienhaus, das man in den Fünfzigern errichtet hatte, inmitten eines Gartens mit sterilem Rasen. Überall standen Obstbäume, aus deren Früchten meine Mutter Marmelade kochte und uns bei jedem Besuch aufdrängte, sowie ihr ganzer Stolz: Eine üppige Rosenhecke. Dort verbrachte sie den halben Sommer, um – weiß der Henker was – mit den Pflanzen anzustellen – aber es war anscheinend das Richtige, denn sie gediehen prächtig.
    Zeitgleich mit uns traf auch meine andere Schwester, Susi, mitsamt ihrer Familie und Freunde meiner Eltern ein. Drei Autos kämpften also um einen Parkplatz und behinderten einander beim Einparken. Patrick hielt immer noch meine Hand fest und ich fragte mich, wie lange er und Julia dieses Spiel aufrechterhalten wollten. Sie erwarteten doch nicht etwa, dass das den ganzen Tag so weiterlief!
    Ich hatte zwar vorgehabt mich zu outen, aber nicht auf diese Weise, nicht im Zuge eines blöden Scherzes, noch dazu einem, der mir das Herz brach. Ich wand meine Finger unter Patricks Hand heraus und sah ihn dabei flehend, an als hoffte ich, er möge sie erneut ergreifen, mir klar machen, dass er sie halten
wollte
. Tat er nicht.
    „Genug“, brummte ich und versuchte zu verbergen, wie enttäuscht, wie verletzt ich war.
    Mir war schon klar, dass er nichts dafürkonnte, dass weder er noch Julia wissen konnten, dass ich wirklich schwul war und mich tatsächlich in Patrick verliebt hatte, dennoch nahm ich ihnen den Scherz übel. Vor allem, dass Patrick mich geküsst hatte, ohne Notwendigkeit, ohne Grund, das ließ mich nicht mehr los. Als er die Tür öffnete um auszusteigen, neigte er sich noch einmal zu mir, so nah, dass sein Mund direkt vor meinem Ohr war, und flüsterte:
    „Es war schön, dein Freund zu sein.“
    Dann sprang er raus, legte einen Arm um Julia und ließ sich von ihr vorstellen. Mir sackte die Kraft aus den Beinen. Ich blieb benommen sitzen und beobachtete die Begrüßungszeremonie. Es wurde gelacht, Hände geschüttelt, Küsschen verteilt, riesige Blumensträuße und Geschenke getragen und die Kinder sprangen herum, forderten damit die Aufmerksamkeit der Erwachsenen. Mitten unter ihnen: der Mann, an dessen Körper ich mich eben noch gepresst hatte, dessen Hand eben noch meine gehalten hatte, dessen Lippen so sanft meine berührt hatten. Der Freund meiner Schwester. Der Mann, der für magere fünf Minuten mein Freund gewesen war.

Shit
     
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis sich die Traube von Verwandten und Bekannten von der Straße über den Garten ins Haus gewalzt hatte. Dabei schnatterten alle eifrig und tauschten banale Neuigkeiten aus.
    Ich folgte in einigem Abstand, so als gehörte ich gar nicht dazu. Wie ein Zeremonienmeister bei einer Beerdigung oder Hochzeit. Als einziger Sohn des Hauses war ich irgendwie wichtig, aber ich fühlte mich nicht dazugehörig. Bisher hatte ich auf diesen Feiern die Unterstützung von Julia, doch die blieb ja nun aus.
    Susanne war meine ältere Schwester, Halbschwester um genau zu sein, und aktuell hochschwanger mit ihrem
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