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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel
Autoren: Bill Bryson
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gegessen«, schalt sie mich beim zweitenmal. Ich wußte nicht so recht, was ich dazu sagen sollte, es war ja die bittere Wahrheit. Also zog ich nur die Stirn in tiefe Falten und starrte das Corpus delicti genau wie sie an. Ich hatte mich ja auch schon seit dem Vortag gefragt, was es war. »Dürfte ich Sie ersuchen«, bat sie mit von jahrelangem Kummer und Ärger schwerer Stimme, »daß Sie in Zukunft so freundlich sind, mir zu sagen, wenn Sie keine geschmorte Tomate zum Frühstück wünschen.«
    Beschämt sah ich, wie sie abging. »Ich dachte, es wäre ein Blutklumpen!« wollte ich hinter ihr herbrüllen, aber ich unterließ es natürlich und stahl mich unter dem triumphierenden Strahlen meiner Mitbewohner aus dem Raum.
    Von da an blieb ich nach Möglichkeit außer Haus. Ich ging in die Bibliothek und schaute »Überwurf« im Lexikon nach, damit ich mir wenigstens diesbezüglich keine Rüge einfing. (Als ich herausfand, um was es sich handelte, war ich verblüfft. Drei Tage lang hatte ich an der Gardine herumgefummelt.) Im Haus bemühte ich mich um Stille und Unauffálligkeit. Ich drehte mich sogar leise in meinem quietschenden Bett um. Aber einerlei, wie sehr ich mich anstrengte, ich schien dazu verdammt, Ärger zu verursachen.
    Als ich am dritten Nachmittag ins Haus schlich, konfrontierte mich Mrs. Smegma mit einer leeren Zigarettenschachtel und begehrte zu wissen, ob ich sie in die Ligusterhecke geworfen hätte. Langsam dämmerte mir, warum unschuldige Menschen auf Polizeiwachen extravagante Geständnisse unterschreiben. An dem Abend vergaß ich, den Heißwasserboiler auszuschalten, nachdem ich heimlich schnell ein Bad genommen hatte, und machte das Vergehen noch schlimmer, indem ich büschelweise Haare im Abflußloch hinterließ. Am nächsten Morgen kam die ultimative Demütigung. Mrs. Smegma führte mich wortlos zur Toilette und zeigte mir ein kleines Würstchen, das nicht hinuntergespült worden war. Wir einigten uns, daß ich nach dem Frühstück auszog.
    Ich nahm den Schnellzug nach London und ward nie wieder in Dover gesehen.
     

Erstes Kapitel
     
    In Großbritannien gibt es bestimmte Dinge, die sich nie ändern und die man still zu akzeptieren lernt, wenn man lange dort lebt. Zum Beispiel die Vorstellung, daß britische Sommer früher immer länger und sonniger waren. Oder die, daß die englische Fußballnational-mannschaft Norwegen glatt an die Wand spielt. Und drittens, daß England ein großes Land ist. Diese Illusion hält sich mit Abstand am hartnäckigsten.
    Wenn man in einem Pub erwähnt, daß man von Surrey nach Cornwall fahren will, eine Entfernung, die die meisten Amerikaner mit Kußhand zurücklegen würden, um sich ein Taco zu kaufen, blasen die Gesprächspartner die Backen auf, schauen sich mit wissender Miene an und stoßen die Luft aus, als wollten sie sagen: »Au weia, das is ja ’n Ding!« Und dann stürzen sie sich in eine angeregte, weitschweifige Diskussion darüber, ob man besser die A30 nach Stockbridge nimmt und dann die A303 nach Ilchester oder die A163 nach Glastonbury über Shepton Mallet. Binnen weniger Minuten gerät das Gespräch buchstäblich vom Hölzchen aufs Stöckchen, angesichts dessen man als Fremder nur in stummer Verwunderung den Kopf schütteln kann.
    »Du kennst doch den Rastplatz bei Warminster, den mit dem Streusandbehälter mit dem kaputten Griff«, sagt dann zum Beispiel einer. »Gleich hinter der Abfahrt nach Little Puking, aber vor dem Minikreisverkehr zur B6029. An dem toten Bergahorn.«
    An diesem Punkt stellt man fest, daß man der einzige ist, der nicht heftig nickt.
    »Also, ungefähr eine Viertelmeile danach, nicht an der ersten Abfahrt links, sondern an der zweiten, da ist eine schmale Straße zwischen zwei Hecken – hauptsächlich Weißdorn, aber ein paar Haselsträucher sind auch dazwischen. Na gut, wenn man der Straße am Reservoir vorbei unter der Eisenbahnbrücke hindurch folgt und am Buggered Ploughman scharf rechts abbiegt –«
    »Nettes kleines Pub«, wirft dann einer ein. Aus irgendeinem Grunde meist ein Typ in einer bollerigen Strickjacke. »Sie zapfen ein anständiges Old Toejam.«
    »– und auf der Schotterstraße durch das Schießübungs-gelände der Armee fahrt und hinten an der Zementfabrik vorbei, dann mündet sie auf die B3689, die Umgehungsstraße um Ram’s Dropping. Da spart man gut drei, vier Minuten und vermeidet die Eisenbahnschranke bei Great Shagging.«
    »Es sei denn natürlich, man kommt von Crewkerne«, fügt garantiert
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