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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel
Autoren: Bill Bryson
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auch amerikanisch.«
    »Nie im Leben!«
    Ich lächelte matt und bat meine Beine, mich hinzustellen und hinauszutragen, aber mein Unterkörper war eigenartig träge.
    »Na, so was! Was zieht Sie dann nach Großbritannien, wenn Sie schon Cornflakes haben?«
    Ich schaute ihn an, um zu sehen, ob er die Frage ernst meinte, und begann widerwillig und stockend mit einer kurzen aktualisierten Zusammenfassung meines Lebens, doch da ging die Sitcom weiter, und ich merkte, daß er nicht einmal so tat, als höre er zu. Also brach ich abrupt ab und verbrachte Teil zwei der Sendung damit, den erdrückenden, haßerfüllten Blick des Colonel zu parieren.
    Als sie zu Ende war, wollte ich mich gerade aus dem Stuhl hieven und diesem fröhlichen Trio ein herzliches Lebewohl zurufen, da ging die Tür auf, und Mrs. Smegma erschien mit einem Tablett samt Teegeschirr und Keksen, Teatime-Mischung, glaube ich. Alle erwachten zum Leben, rieben sich hungrig die Hände und sagten: »Oooh, lecker.« Bis zum heutigen Tage beeindruckt mich die Fähigkeit von Briten aller Altersgruppen und sozialer Herkunft immer wieder, bei der Aussicht auf ein heißes Getränk echt aufgeregt zu werden.
    »Und wie war Bunte Vogelwelt heute abend, Colonel?« fragte Mrs. Smegma, als sie ihm eine Tasse Tee und einen Keks reichte.
    »Keine Ahnung«, sagte der Colonel hinterhältig. »Der Fernseher«, mit einem bedeutungsschweren Blick verpaßte er mir eine Ohrfeige, »war auf den anderen Sender gestellt.«
    Voller Mitgefühl für ihn bedachte auch Mrs. Smegma mich nun mit einem strengen Blick. Ich glaube, sie hatten ein Techtelmechtel.
    » Bunte Vogelwelt ist die Lieblingssendung des Colonel«, sagte sie in mehr als haßerfülltem Ton und händigte mir eine Tasse Tee mit einem harten, weißlichen Keks aus.
    Ich maunzte eine klägliche Entschuldigung.
    »Heute abend waren die Papageientaucher dran«, platzte der rotgesichtige Bursche heraus und schaute sehr zufrieden mit sich drein.
    Einen Moment lang starrte Mrs. Smegma ihn an, als sei sie überrascht festzustellen, daß er der Sprache mächtig war. »Papageientaucher!« sagte sie und bedachte mich mit einem noch vernichtenderen Blick, als wolle sie fragen, wie es jemandem so fundamental an menschlichem An-stand mangeln könne. »Der Colonel liebt Papageientaucher. Nicht wahr, Arthur?«
    »Ja, und wie«, sagte der Colonel und biß unglücklich in ein Plätzchen mit Schokoladenwhiskygeschmack.
    Schamerfüllt nippte ich an meinem Tee und knabberte meinen Keks. Ich hatte noch nie Tee mit Milch getrunken oder ein so kümmerliches, steinhartes Stück Gebäck gegessen. Man hätte es einem Wellensittich zum Schnabelwetzen geben sollen. Nach einer Weile beugte sich der kahlköpfige Typ zu mir herüber und flüsterte mir streng vertraulich zu: »Stören Sie sich nicht an dem Colonel. Seit er das Bein verloren hat, ist er nicht mehr der alte.«
    »Na, dann will ich doch für ihn hoffen, daß er es bald wiederfindet«, antwortete ich, ein wenig Ironie riskierend. Woraufhin der Glatzkopf in schallendes Gelächter ausbrach und ich einen entsetzlichen Augenblick lang befürchtete, er werde meinen bissigen kleinen Seitenhieb dem Colonel und Mrs. Smegma petzen. Aber er streckte mir eine kräftige Hand entgegen und stellte sich vor. Ich kann mich nicht erinnern, wie er hieß, aber es war so ein Name, wie ihn nur Engländer haben – Colin Crapspray oder Bertram Pantyshield oder etwas ähnlich Irrwitziges. Ich brachte ein schiefes Lächeln zustande, dachte, er nähme mich auf den Arm, und sagte: »Im Ernst?«
    »Allerdings«, erwiderte er kühl. »Wieso, finden sie ihn witzig?«
    »Nein, er ist nur … ungewöhnlich.«
    »Na, das meinen Sie vielleicht«, sagte er und wandte seine Aufmerksamkeit dem Colonel und Mrs. Smegma zu, und ich begriff, daß ich ein für allemal in Dover ohne Freunde dastand.
     
    Die nächsten beiden Tage verfolgte mich Mrs. Smegma gnadenlos, die anderen, argwöhnte ich, sammelten Beweismaterial für sie. Sie warf mir vor, daß ich vor dem Weggehen in meinem Zimmer das Licht nicht ausgeknipst, nach Erledigung meines Geschäfts den Klodeckel nicht zugemacht, dem Colonel das heiße Wasser weggenommen – ich hatte ja keine Ahnung, daß er sein eigenes besaß, bis er am Türknauf zu rütteln begann und seine Klagelaute durch den Flur hallten – und zweimal hintereinander das komplette englische Frühstück bestellt und beide Male die geschmorte Tomate liegengelassen hätte. »Aha, Sie haben sie wieder nicht
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