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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel
Autoren: Bill Bryson
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Frauenmagazine, unterschieden sich aber gewaltig von den Gazetten, die meine Mutter und meine Schwester lasen. In denen ging es immer um Sex und persönlichen Lustgewinn, und sie hatten Titel wie »Essen Sie sich zum multiplen Orgasmus«, »Bürosex – wie man ihn bekommt«, »Neuer heißer Sex-Tip: Tahiti« und »Die schwindenden Regenwälder – sind sie gut für Sex?«. Die britischen Blätter befriedigten bescheidenere Ansprüche. Hier lauteten die Überschriften »Stricken Sie sich einen Twinset«, »Knopfangebot, bei dem Sie bares Geld sparen«, »Häkeln Sie sich einen Superseifensparer« und »Der Sommer ist da – Mayonnaisenzeit!«.
    Über den Bildschirm flimmerte Jason King. Wenn Sie in einem bestimmten Alter sind und es Ihnen in den frühen Siebzigern freitags abends an gesellschaftlichem Leben mangelte, erinnern Sie sich vielleicht, daß ein affiger Playboy in einem tuntigen Kaftan darin vorkam. Die Frauen fanden ihn aus unerfindlichen Gründen verführerisch. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich daraus Hoffnung schöpfen oder deprimiert sein sollte. Interessant aber ist, daß ich die Serie nur ein einziges Mal vor mehr als zwanzig Jahren gesehen und trotzdem nie das Bedürfnis verloren habe, dem Burschen mit einem nagelbespickten Baseballschläger einen überzuziehen.
    Gegen Ende des Films kam ein weiterer Gast. Er trug eine Schüssel mit dampfendem Wasser und ein Handtuch. Bei meinem Anblick sagte er ganz überrascht »Oh!« und nahm am Fenster Platz. Er war dünn, hatte ein rotes Gesicht und erfüllte das Zimmer mit dem Duft nach Pinimenthol. Außerdem sah er aus wie jemand mit ungesunden sexuellen Begierden, wie ein Mensch, vor dem uns unsere Sportlehrer immer gewarnt hatten. In so einen würde man sich verwandeln, wenn man zuviel onanierte (Klartext: in so einen wie den Sportlehrer). Ich war mir nicht sicher, aber ich hätte schwören mögen, daß ich gesehen hatte, wie er nachmittags im Kino ein Tütchen Gummibären gekauft hatte. Er schaute mich verstohlen an, dachte womöglich etwas Ähnliches über mich, bedeckte dann seinen Kopf mit dem Handtuch und beugte sich mit dem Gesicht über die Schüssel, wo es für den Großteil des restlichen Abends verblieb.
    Ein paar Minuten später kam ein glatzköpfiger Typ mittleren Alters – ich tippte auf Schuhvertreter –, sagte »hallo!« zu mir und »’n Abend, Richard« zu dem behandtuchten Kopf und setzte sich neben mich. Kurz danach gesellte sich ein älterer Mann mit einem Stock, einem kaputten Bein und barschen Manieren zu uns. Er schenkte uns allen einen finsteren Blick, nickte uns einmal kurz mit einer überaus winzigen präzisen Bewegung zu und ließ sich schwer auf seinen Platz fallen, wo er die nächsten zwanzig Minuten damit verbrachte, sein Bein hin und her zu manövrieren, als rücke er ein schweres Möbelstück an Ort und Stelle. Diese Leute waren wahrscheinlich alle Dauergäste.
    Dann kam eine Sitcom mit dem Titel Mein Nachbar ist ein Bimbo. Das war wahrscheinlich nicht der korrekte Titel, aber es ging im wesentlichen darum, wie quietschkomisch es doch ist, wenn Menschen mit schwarzer Hautfarbe neben einem wohnen. Dauernd fielen Sprüche wie »Lieber Gott, Oma, in deinem Schrank ist ein farbiges Kerlchen!« – »Na, im Dunkeln konnte ich ihn ja wohl nicht erkennen, oder?« Die Serie war hoffnungslos bekloppt. Der Glatzkopf neben mir lachte, bis er sich die Tränen aus den Augen wischen mußte, und unter dem Handtuch ertönte gelegentlich ein amüsiertes Grunzen, aber der Colonel, fiel mir auf, lachte kein einziges Mal. Er starrte mich nur an, als versuche er sich zu erinnern, mit welch düsterem Ereignis aus seiner Vergangenheit ich zu tun hatte. Jedesmal, wenn ich in seine Richtung schaute, war sein Blick fest auf mich geheftet. Sehr zermürbend.
    Eine kurze Sternenexplosion erfüllte den Bildschirm, und die nun folgende Werbepause nutzte der Kahlkopf, um mich freundlich, aber verwirrend zusammenhanglos zu fragen, wer ich sei und wie ich in ihr Leben geraten sei. Als er hörte, daß ich aus Amerika kam, war er entzückt. »Ich wollte immer mal nach Amerika«, sagte er. »Sagen Sie, gibt es dort Woolworth’s?«
    »Hm, also Woolworth’s ist eine amerikanische Firma.«
    »Was Sie nicht sagen!« rief er. »Haben Sie das gehört, Colonel? Woolworth’s ist eine amerikanische Firma.« Diese Neuigkeit ließ den Colonel völlig kalt. »Und was ist mit Cornflakes?«
    »Wie bitte?«
    »Gibt es in Amerika Cornflakes?«
    »Hm, also, die sind
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