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Reiche dem Tod nie die Hand (German Edition)

Reiche dem Tod nie die Hand (German Edition)

Titel: Reiche dem Tod nie die Hand (German Edition)
Autoren: Diana Reddas
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laufen und so halfen sie ihr aus dem Graben hinauf auf die Straße.
    Die Äste der riesigen Kastanien bogen sich im Wind bedrohlich durch. Der Regen hatte sie bis auf die Haut durchnässt. Er drückte die hintere Tür seines Wagens gegen den Windwiderstand auf, während sie der Frau in das Auto half. Sie wollte sich zu der Frau setzen, um ihr Trost zu spenden, doch die Frau begann zu weinen, bevor sie bei ihr im Auto war.
    „Meine Tasche … ich brauche … im Auto.“ Sie brachte keinen vollständigen Satz hervor, aber es war auch so klar, dass sie ihre Handtasche nicht im Wagen zurücklassen wollte.
    „Was ist?“, schrie er durch den Regen hindurch ins Auto. Er stand klatschnass auf der Straße. Der Anzug lag ihm schwer auf den Schultern, das Haar hing ihm tropfend auf der Stirn.
    Sie stieg aus, um die Tasche zu holen.
    „Setz du dich zu ihr. Ich hole ihre Tasche.“ Sie wollte los, doch er hielt sie zurück.
    „Ich mache das.“ Bevor sie etwas erwidern konnte, ging er einen Schritt zurück, um sich in Bewegung zu setzen.
    Reifen quietschten, Scheinwerfer leuchteten auf. Ein Wagen kam aus der Kurve heraus gerast. Bevor sie reagieren konnte, fühlte sie einen Schlag, der sie von den Füßen riss. Das Auto hatte sie gestreift. Sie prallte gegen die offene Tür ihres Wagens, sackte vor Schmerz zusammen und schlug bäuchlings mit dem Kinn auf der Straße auf. Unfähig sich zu rühren sah sie verschwommen, wie er mehrere Meter weit durch die Luft geschleudert wurde. Der Wagen musste ihn frontal erwischt haben. Sie wimmerte und musste mit ansehen, wie sein Körper auf dem Boden aufschlug. Dem dumpfen Klang des Aufschlags folgte im Bruchteil einer Sekunde das Geräusch berstender Knochen. Augenblicklich breitete sich eine Blutlache um ihn herum aus. Obwohl sie den eigenen Schmerz kaum ertragen konnte, schrie sie immer wieder seinen Namen. Doch er rührte sich nicht. Nicht ein Zucken durchfuhr seinen Körper, kein Schrei, kein Stöhnen. Nur ihre eigene Stimme hallte durch die Dunkelheit. Immer und immer wieder rief sie seinen Namen. Sie schrie, selbst als alles um sie herum schwarz wurde und sie sich im Nichts verlor.

2

    Oktober 2006

    Mit gemischten Gefühlen faltete Noel den Brief zusammen und presste ihn an ihr Herz. Auf dieses Schreiben hatte sie seit Jahren hingearbeitet. Es war der Lohn für die harte Arbeit, die sie geleistet hatte. Endlich hatte sie die Möglichkeit etwas zu erreichen. Aber sie musste es geschickt anstellen, um nicht aufzufallen. Erst wenn sie sicher war, würde sie zuschlagen. Und das würde sie tun.
    Noel steckte den Brief in die Schublade des Arbeitstisches, schob sie zu und lehnte sich in dem antiken Lederstuhl zurück, der mehr einem Sessel, denn einem Stuhl glich.
    Diesen extravaganten Lebensstil hatte sie nie sonderlich gemocht. Es war Ralfs Geschmack und darin war er eigen. Das Teuerste war gerade gut genug. Alles musste hochwertig und nobel sein. Anfangs hatte sie sich dagegen aufgelehnt. Inzwischen kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, weshalb er so viel Wert darauf legte. Es war seine Weise, seinen Eltern auszudrücken, wie Unrecht sie hatten. Immer wieder warfen sie ihm vor, dass er es zu nichts brachte. Jetzt bewies er ihnen das Gegenteil. Er hatte es zu etwas gebracht. Seine Praxis lief hervorragend. Sein Haus war das Protzigste der Gegend. Die Einrichtung war das Sahnehäubchen, das er mit Stolz präsentierte. Damit zeigte er ihnen, dass er es geschafft hatte.
    Diese Eigenschaft zählte nicht zu denen, die Noel an ihm schätzte. Trotzdem hatte er überwiegend positive Seiten. Eine Kleinigkeit hatte sie allerdings im Haus durchgesetzt, obwohl sie nicht in sein Konzept passte. Überall an den Wänden hingen vergrößerte Fotografien, die sie durch die schönste Zeit ihres Lebens begleitet hatten.
    Ralf war in ihrem Leben aufgetaucht, als sie jemanden wie ihn dringend gebraucht hatte. Er hatte ihr Kraft und den Mut zum Leben gegeben, als ihre Welt zusammengebrochen war. Als alle Anderen ihr den Rücken gekehrt hatten, war er für sie da gewesen. Noel erinnerte sich ungern an die falschen Freunde, die sie damals begleitet hatten. Nachdem sie ihnen von ihrer Absicht erzählt hatte, war man ihr mehr oder weniger geschickt aus dem Weg gegangen.
    Diesen Fehler hatte sie bei Ralf nicht gemacht. Heute lag ihr dieser Punkt besonders auf der Seele. Ihr Mann hatte es verdient, über ihre wahren Beweggründe Bescheid zu wissen. Er unterstützte sie, wo immer sie Hilfe brauchte und er
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