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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten
Autoren: C Funke
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Hexentee, aber auf Moorwurzeln ist Verlass!« Er schlief immer noch unter der zerschlissenen Decke, unter der er früher in der Wildnis geschnarcht hatte. Vielleicht ließ sie ihn von seinen alten Abenteuern träumen.
    Jacob klebte das Blattgold an den Fingern, als er den Umschlag mit Fuchs’ Brief aufbrach. Ihre Handschrift war wesentlich lesbarer als seine, obwohl er ihr das Schreiben beigebracht hatte. Der Brief enthielt nur einen kühlen Gruß und eine Wegbeschreibung.
    Er war lange fort gewesen.
    »Gallberg«, murmelte er. »Das sind mehr als zehn Tagesritte von hier. Was will der Zwerg mit einer Burg in diesen gottverlassenen Bergen?«
    »Was weiß ich?« Chanutes Augen wurden schon glasig. »Vielleicht zieht es ihn zurück zu Mutter Natur? Du weißt, wie sentimental Zwerge mit zunehmendem Alter werden.«
    Ja, aber das galt sicher nicht für Evenaugh Valiant. Wahrscheinlich hatte der Zwerg eine Silberader unter der Burg entdeckt. Jacob schob Fuchs’ Brief in den Rucksack. Eine Menschenschwanfeder … das war gefährliche Beute, doch Chanute hatte recht. Fuchs verstand inzwischen fast ebenso viel von der Schatzjagd wie er.
    »Warum betrinkst du dich nicht?«, lallte Chanute, während seine Hand nach eingebildeten Irrlichtern schlug. »Der Apfel läuft dir nicht davon!« Er kicherte wie ein Kind über den Scherz. »Und falls der nicht hilft, kannst du immer noch meine Liste durchgehen!«
    Chanutes Liste. Sie hing in der Wirtsstube unter seinem alten schartigen Säbel: die Liste all der magischen Dinge, die er gesucht und nie gefunden hatte. Jacob kannte sie auswendig, und es gab nichts darauf, das ihn retten konnte.
    »Sicher«, sagte er und legte Chanute noch eine Moorwurzel neben das Kopfkissen. »Schlaf jetzt.« Zehn Tage. Der verdammte Zwerg. Er konnte nur hoffen, dass Alma recht hatte und ihm etwas mehr Zeit blieb. Sollte der Tod ihn holen, bevor er Fuchs noch einmal sah, würde er Valiant dafür nicht einmal den kurzen Hals umdrehen können.

9
GOTTVERLASSENE BERGE
    Z ehn Tagesritte … Jacob nahm den Zug, nachdem er die Route auf Chanutes fleckiger Karte studiert hatte. Valiants Burg lag so unzugänglich, dass jedes Pferd sich auf dem Weg hinauf die Beine gebrochen hätte, und zum Glück hatten die Zwerge in den letzten Jahren mit solcher Begeisterung Tunnel gesprengt, dass es tatsächlich eine Bahnstation in der Nähe gab.
    Der Zug brauchte vier Tage und Nächte. Eine lange Zeit mit dem Tod im Gepäck. In jedem Tunnel fiel ihm das Atmen so schwer, als schaufelte ihm schon jemand die Erde auf die Brust. Er versuchte, sich mit den Memoiren eines Schatzjägers abzulenken, der für einen Fürsten in Varangia nach Feuervögeln und Smaragdnüssen gesucht hatte, aber während seine Augen sich an den gedruckten Buchstaben festhielten, sah er andere Bilder: das Blut auf seinem Hemd, nachdem der Goyl ihm das Herz zerschossen hatte, Valiant vor einem frisch ausgehobenen Grab und immer wieder die Rote Fee, die ihm den Namen ihrer Schwester zuflüsterte. Vier Tage …
    Von der verschlafenen Bahnstation, an der er ausstieg, führte eine Seilbahn hinauf zu dem felsigen Gipfel, auf dem Valiants Burg stand. Ihre Mauern ragten noch aus tiefem Schnee, und Jacob verfluchte den Zwerg nur noch mehr, als er für den steilen Rest des Weges einem Bauern einen ganzen Goldtaler für seinen beißenden Esel zahlen musste.
    Die Burg war ein alles andere als beeindruckender Anblick. Der linke Turm war eingestürzt, und die anderen sahen übel zerschossen aus, aber Valiant empfing Jacob mit so stolzem Grinsen vor dem morschen Tor, als hätte er den Palast der Kaiserin erstanden.
    »Nicht schlecht, oder?«, rief er Jacob entgegen, während ein mürrischer Zwergendiener ihm die Tasche aus der Hand nahm. »Ich bin ein Burgherr! Ja, ich weiß. Die Renovierung stockt etwas«, setzte er hinzu, als Jacob die zerschossenen Türme musterte. »Es ist nicht leicht, Material heraufzuschaffen. Außerdem …«, er warf dem Diener einen raschen Blick zu und senkte die Stimme, »… außerdem macht der Baum mir Ärger. Er wirft neuerdings nichts als schleimigen Pollen ab.«
    »Tatsächlich?« Jacob gab sich Mühe, seine Genugtuung nicht zu zeigen. Er hatte selbst nie viel Glück mit dem Baum gehabt.
    Valiant fuhr sich über das Bärtchen, das er sich stehen ließ. Es saß ihm auf der Oberlippe wie ein Tausendfüßler, aber jeder Zwerg, der mehr Bart trug, galt als hoffnungslos altmodisch. »Wie geht es dir? Bist du auf der Jagd nach irgendwas?«
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