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Rechtsgeschichten: Über Gerechtigkeit in der Literatur (suhrkamp taschenbuch wissenschaft) (German Edition)

Rechtsgeschichten: Über Gerechtigkeit in der Literatur (suhrkamp taschenbuch wissenschaft) (German Edition)

Titel: Rechtsgeschichten: Über Gerechtigkeit in der Literatur (suhrkamp taschenbuch wissenschaft) (German Edition)
Autoren: Richard Weisberg
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gerettet, doch Shylock verwandelte sich dabei in Manna. Die Metaphysik des Stücks, das am Ende des vierten Aufzugs so klar erschien, hat sich umgekehrt.
    Am Ende sind alle genauso legalistisch wie der Jude, dessen Legalismus sie verjagen wollten. Porzia beendet ihre Rolle, indem sie vorschlägt, dass die Gruppe »Fragartikel« zum Prozess beantwortet; Graziano schließt mit dem »erste[n] Fragartikel« an Nerissa ab: Mag sie mit ihm jetzt ins Bett gehen oder angesichts der bevorstehenden Morgendämmerung lieber bis morgen warten?
    Shylock ist gegangen, aber nicht vergessen. Und uns bleibt die Aufgabe nachzudenken, ob seine Werte nicht besser, direkter, stärker sind. Ich denke nicht, dass Der Kaufmann von Venedig elisabethanische Zuschauer dazu brachte, zum jüdischen Glauben überzutreten, ja, nicht einmal, ihre Schwüre und Versprechen zuverlässiger zu halten. Aber ich bin bereit zu wetten – und gebe meine Seele als Buße drein –, dass die meisten dieser Theaterbesucher anschließend für ein paar Nächte Komödien aus dem Weg gingen.

Anhang
Welche Belege kann ein jüdischer Mischling vorlegen, um seine Nichtzugehörigkeit zur jüdischen Rasse nachzuweisen? [1]
    Die Commission du statut des juifs , die innerhalb des Conseil d’Etat eingesetzt wurde, ist vom Regierungschef gebeten worden, ihre Auffassung zur Auslegung von Art. 1 des Gesetzes vom 2. Juni 1941 (Gaz. Pal. 1941. 2. 592) über die Nichtzugehörigkeit zur jüdischen Rasse darzulegen. Sie ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigte, zum Nachweis dieser Nichtzugehörigkeit ausschließlich den Nachweis einer Mitgliedschaft in einer vom Staat vor dem Gesetz vom 9. Dezember 1905 (Gaz. Pal. 1905. 2. 698) anerkannten Religionsgemeinschaft zuzulassen. Die Kommission erklärt weiter, dass »es unter diesen Umständen den zuständigen Gerichten obliegt, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob der Betroffene in ausreichendem Umfang Elemente vorlegt um nachzuweisen, dass er der jüdischen Gemeinschaft niemals angehört hat oder ihr jetzt de facto nicht mehr angehört« ( Gaz. Pal. 1943.1.Doct., S. 14).
    […]
    Es wurde hier bereits vertreten, dass weder der gesunde Menschenverstand noch das Recht zu der Auffassung führen könnten, der Gesetzgeber verlange von einer Person mit nur zwei jüdischen Großeltern den Nachweis seiner Angehörigkeit zur katholischen oder protestantischen Religion, um seiner Eintragung in die Judenlisten zu entgehen ( Gaz. Pal. 1942.2.Doct., S. 32).
    […]
    Da die Gerichte nun unstrittig jeden Einzelfall im Lichte der vorgelegten Nachweise zu entscheiden haben, erscheint es angebracht, das Beispiel der deutschen Rechtsprechung heranzuziehen und zu untersuchen, wie diese die Schwierigkeiten bei der Führung des Nachweises der Nichtzugehörigkeit zur jüdischen Rasse löst. Diese Untersuchung ist aufschlussreich. Sie lässt eine großzügige, objektive Einstellung erkennen.
    […]
    In einer jüngsten Entscheidung mit besonderem Interesse ging es um den Fall einer Frau mit zwei jüdischen Großeltern, die als Protestantin getauft worden war und im Sinne von § 5 der Verordnung vom 14. November 1935 zur Durchführung des Reichsbürgergesetzes nur dann jüdisch wird, wenn sie der jüdischen Religionsgemeinschaft beigetreten ist, was im Übrigen auch den Bestimmungen des Gesetzes vom 2. Juni 1941 entspricht.
    Diese Frau jüdisch-protestantischer Herkunft hatte sechs Monate lang auf ausdrücklichen Wunsch ihres Vaters und entsprechend den Wünschen ihrer protestantischen Mutter Kurse an einer jüdischen Schule belegt, um die jüdische Religion zu studieren. Regelmäßig einmal im Jahr begleitete sie ihren Vater bis zu dessen Tod 1934 beim Besuch der Synagoge aus Anlass des Neujahrsfests.
    […]
    Andererseits hat sie die Gemeinde nie finanziell unterstützt oder Spenden in der Synagoge gegeben. Bis zum 15. April 1938 war sie, ohne es zu wissen, auf der von der Synagoge geführten Liste eingetragen.
    Mit diesem Sachverhalt wurde das Reichsgericht in Leipzig angerufen, um über ein ihm unterbreitetes Strafurteil zu entscheiden. Das Gericht stellt zunächst fest, dass die Angeklagte, sobald sie im Frühjahr 1938 Kenntnis von ihrer Eintragung in die Judenlisten erlangte, deren Löschung beantragte. […]
    Das Gericht billigt uneingeschränkt die Auffassung der erstinstanzlichen Richter, die vertreten hatten, dass die Angeklagte nur um des familiären Friedens willen an den Feiern zum jüdischen Neujahr teilgenommen hatte. Unter
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