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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck
Autoren: Matthias P. Gibert
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Weiler ihn ruhig auf.
    Eine erneute Pause.
    »Das will ich nicht.«
    »Ist es dir peinlich, darüber zu sprechen?«
    »Das auch. Aber …«
    »Was, aber?«
    Stille.
    »Ja?«
    »Es ist mir peinlich und ich schäme mich dafür, dass ich einem Kameraden
so etwas angetan habe. Wenn ich nüchtern gewesen wäre …«
    Wieder stockte er. Weiler griff sanft nach seinem verbundenen Arm und
drückte ihn vorsichtig.
    »Lass stecken, Gerold. Wir haben alle schon mal im Suff dummes Zeug
gemacht. Das soll deine Aktion nicht unbedingt entschuldigen, aber ich kann verstehen,
dass du bei der Kleinen schwach geworden bist. Ich habe sie gestern Abend kennengelernt,
die hat es wirklich faustdick hinter den Ohren. Eine saftige Abreibung hättest du
dafür ohne Frage verdient gehabt, aber die Kameraden waren es nicht, das weiß ich
ganz genau. Also bleiben realistischerweise nur die Kameltreiber übrig, die dir
das angetan haben können.«
    »Wenn Sie es sagen.«
    »Hast du noch eine andere Idee? Oder Ärger mit irgendjemandem?«
    Schmitt schüttelte so energisch den Kopf, dass er dabei laut aufstöhnen
musste. »Nein, ganz ehrlich. Ich würde es Ihnen sagen, aber da ist nichts mehr.
Versprochen.«
    »Ich glaube dir.« Weiler drückte wieder sanft seinen Arm. »Aber eine
Sache würde mich trotzdem noch interessieren. Es geht dabei noch mal um die Nacht,
in der du zusammengeschlagen wurdest.«
    Wieder stöhnte Schmitt auf, diesmal mehr genervt. »Aber ich hab Ihnen
doch gesagt, dass ich mich an nichts erinnern kann. An rein gar nichts, um es noch
mal ganz klar zu sagen.«
    »Ich meine nicht den Moment, in dem du so übel zugerichtet wurdest.
Ich meine die Zeit vorher. Du bist also schon am Mittag in der Kneipe gewesen, oder?«
    »Ja.«
    »Und da ist dir nichts Ungewöhnliches aufgefallen? Den ganzen Tag nicht?«
    »Nein.«
    »Stimmt es nicht, dass am Nachmittag ein Türkenjunge in der Kneipe
war, um Geld für den Zigarettenautomaten zu wechseln?«
    Schmitt dachte nach. »Stimmt«, bestätigte er. »Da war so ein Türkenlümmel,
der sich von Roland Kleingeld besorgt hat für Kippen. Aber das war doch lange vorher.«
    »Ich weiß«, bestätigte Weiler. »Aber es ist bestimmt nicht ganz ohne
Bedeutung, wenn sich in eine Dorfkneipe in der Schwalm ein völlig fremder Türke
verläuft, der Geld gewechselt haben möchte. Ganz und gar nicht ohne Bedeutung ist
es allerdings, wenn in der gleichen Nacht ein Kamerad fast zu Tode geprügelt wird.«
    Schmitts von Mullbinden zum Teil umschlossene Augen signalisierten
so etwas wie Erkenntnis.
    »Da könnte was dran sein«, stellte er fest. »Da könnte absolut was
dran sein.«
    »Und deswegen bin ich hier. Es ist einfach zu offensichtlich, dass
die Türken hinter diesem feigen Anschlag stecken.«
    Der Verletzte hob den Kopf und sah Weiler unsicher an. »Wie kommt es
eigentlich genau, dass Sie sich um mich kümmern? Ich meine, wir kennen uns gar nicht
und haben uns auch noch nie gesehen.«
    Der Geschäftsmann lehnte sich entspannt zurück. Über sein Gesicht huschte
erneut der Anflug eines Lächelns. »Du hast Freunde, Gerold. Einflussreiche Freunde,
glaube ich sogar.«
    »Ach ja? Wer soll das denn sein?«
    »Kannst du dir das nicht denken?«
    Schmitt schüttelte wieder den Kopf und zuckte dabei mit den Schultern.
»Nein, verdammt noch mal.«
    Nun wurde Weiler ernst, und seine nächsten Worte kamen mit gehörigem
Pathos. »Der Jurist hält die Hand schützend über dich.«
    »Der Jurist? Meine Fresse!«
    »Also hast du schon von ihm gehört?«
    »Natürlich. Wer hat das nicht?«
    »Ja, wer hat das nicht.«
    Der Mann mit den Verbänden drehte seinen Körper ungelenk nach rechts.
»Kennen Sie ihn persönlich?«, formulierte er leise und mit Hochachtung.
    Weiler zeigte keine Regung. »Niemand kennt ihn persönlich, weil niemand
weiß, wer er ist, Gerold. Es gibt ihn, das wissen wir alle, aber er will einfach
inkognito bleiben. Das müssen wir akzeptieren.«
    »Aber irgendwer muss ihn doch kennen.«
    »Hör auf, dir so viele Gedanken über seine Identität zu machen. Freu
dich lieber darüber, dass er für dich da ist und sich für dich ganz persönlich interessiert.«
    Schmitt schluckte. »Aber ich weiß doch gar nicht, woher …«
    Der Besucher winkte ab. »Nimm es einfach, wie es ist. Betrachte ihn
als deinen persönlichen Schutzengel, und lass es damit gut sein.«
    »Wenn Sie es sagen.«
    »Ja, so ist es am besten, glaub mir. Allerdings würde er sich bestimmt
sehr darüber freuen, wenn er erfahren würde,
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