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Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
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trug. Von unten beleuchtet, sah sein Gesicht noch herber und beeindruckender aus, aber sie nahm das Papier ohne jedes verräterische Zittern entgegen.
    »Danke, Euer Gnaden.« Sie studierte den Text im flackernden Licht der Kerze. Die Sprache war indirekt genug, die genaue Natur des Handels zu verhüllen, aber doch klar genug, einen Vertragsbruch genau zu definieren.
    »Raffiniert«, gestand sie ihm mürrisch zu.
    Plötzlich flog die Tür auf, erwischte Victoria von hinten und ließ sie auf Raeburn zustolpern. Er fing sie am Ellenbogen auf und gab ihr Halt, während der Eindringling sich entschuldigte.
    »Verzeihung, Euer Gnaden, Mylady. Ich habe Myladys Gepäck ins Einhorn-Zimmer hinaufgebracht, und Euer Gnaden Bestellung ist aus Leeds eingetroffen.«
    Victoria drehte sich um und sah sich einem großen, gekrümmten Mann gegenüber, der ein abgetragenes Tweedjackett und um die Beine schlotternde Hosen trug.
    »Sie kommen genau richtig, Fane«, sagte der Herzog. »Ich habe hier einen Vertrag, den Sie bezeugen müssen.«
    Fane betrachtete Lady Victoria, als verspüre er zum ersten Mal, welche Spannung im Raum lag. »Natürlich, Euer Gnaden.«
    Der Herzog zog Victoria geschickt das Schriftstück aus der Hand und geleitete sie, die Hand immer noch an ihrem Ellenbogen, zum Schreibtisch. Sein Griff war weder sacht noch grob, eher fest und beinahe unpersönlich. Er verursachte bei Victoria ein sonderbar entrücktes Gefühl, während er andererseits eine Begierde hervorrief, die aus ihrer Mitte zu Hals und Gesicht hinaufkroch.
    Raeburn tauchte die Feder ein, setzte kühn seinen Namen aufs Papier und händigte ihr den Bogen aus, als er fertig war.
    Victoria starrte die Zeilen an, die sich über das Blatt zogen. Sobald sie unterschrieben hatte, gab es kein Zurück mehr. Sie dachte an die Berührung von Mund auf Mund, Körper auf Körper und an die Schande, die sie ihrer Familie hierdurch ersparte, durch die größte Torheit, die sie je begangen hatte. Sie presste die Lippen zusammen und setzte mit ihrer präzisen kleinen Schrift schnell ihren Namen unter seinen, bevor sie ihre Meinung noch ändern konnte. Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. Sie reichte die Feder an Fane weiter, der prompt seine Unterschrift darunter setzte.
    »Fertig!«, sagte Raeburn, schnappte sich das Blatt und reichte es mit schwungvoller Handbewegung an Victoria weiter. »Fane, bringen Sie Lady Victoria auf ihr Zimmer.« Er sah sie mit einem wollüstigen Blick an, der ihr einen Schauer über den Rücken jagte. »Sie sehen wie ein halb ertränktes Kätzchen aus. Ich erwarte Sie zum Abendessen, Mylady – und zwar in besserer Verfassung. Bis dann und Guten Tag.«
    Und damit drehte er ihr den Rücken zu und verströmte eine derart barbarische Siegesfreude, dass sich Victoria der Magen umdrehte und sie sich fragte, ob sie ihre Entscheidung noch schneller bereuen würde, als sie es sich vorstellen konnte.
    Sie versuchte, den Druck in der Magengegend zu ignorieren, und verließ nach dem dürren Diener das Zimmer. Während sie ihm durch die dunklen Korridore folgte, beschlich sie das Gefühl, dass sich im Raum hinter ihr mehr Unbekanntes verbarg als im ganzen Rest des ausgedehnten, verfallenen Herrenhauses.
     
    Als die Tür hinter Fane zufiel, sah Victoria sich in ihrem Schlafzimmer um. Ihre Reisetruhe stand inmitten des Raums, aber weder Dyer noch deren Reisetasche waren in Sicht.
    Warum man den Raum das Einhorn-Zimmer nannte, war offensichtlich: ein altertümlicher fantastischer Wandbehang, auf dem grazile Damen und tänzelnde Einhörner zu sehen waren, dominierte die ganze Wand, von der düsteren Decke bis zu den Steinfliesen des Bodens. Victoria dachte fast wehmütig an die neoklassizistische Leichtigkeit Rushworth Manors, die mit Damast ausgeschlagenen Schatzkästchen von Zimmern mit ihren breiten Fenstern. Die Räume, die sie immer als beengend empfunden hatte, erschienen ihr, verglichen mit dieser Zelle, wie der Inbegriff luftiger Grazie.
    Der Raum war dunkel und verwinkelt, die grauen Kalksteinwände wurden lediglich von der Tür und einem Schlitz von Fenster unterbrochen. Und das neueste Möbelstück entstammte den Tagen des Sonnenkönigs. Die nicht entzündete Öllampe auf dem Nachttisch war das einzige Zugeständnis an die modernen Zeiten.
    Victoria fragte sich, welche Generation der Raeburns den blauen Federbusch für den Betthimmel geordert hatte und welche der Raeburn-Frauen die Blumen und die mythischen Ungeheuer auf die Bettbehänge und die

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