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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Jörg Gustmann
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Schublade von oben nach einer vollen Schachtel Fortuna, jener billigen Marke
aus dem letzten Mallorca-Urlaub, die er sich stangenweise illegal importiert hatte.
Der Urlaub lag drei Wochen zurück, und er stellte mit Entsetzen fest, dass er die
letzte Packung in seiner Hand zerknüllte. Die irritierende Nervosität eines Kettenrauchers
ergriff von seinen Gedanken Besitz. Er riss weitere Schubladen auf und sah dann
erst mit einem verzweifelten, gleich danach mit einem flehenden Blick seinen Kollegen
Hartleib an.
    Hartleib
öffnete sein Sakko, als wolle er demonstrieren, dass er keine Zigaretten bei sich
hätte. »Sorry, Klaus. Keine Chance. Ich rauch nicht mehr.«
    Schöller
schnaubte verächtlich.
    »Seit wann?«
    »Seit gestern.«
Hartleib hielt Schöller seine linke Halshälfte entgegen. »Ich war beim Arzt. Hier!
Siehste das Pflaster hinterm Ohr? Nikotin zum Abgewöhnen.«
    Schöller
lachte und hustete gleich darauf. »Toller Trick. Nikotinentzug mit Nikotin. Na klar.«
    »Wenigstens
das habt ihr gemeinsam, Pohlmann und du.«
    Schöller
sah auf. Seiner Meinung nach hatten sie überhaupt nichts gemeinsam.
    »Na, ihr
beide werdet euch eines Tages auf ganz natürliche Weise umbringen, mit ’ner letzten
Kippe im Hals. Er ’ne selbstgedrehte, du ’ne spanische.«
    »Du hältst
das nicht durch.« Bohrender Neid lag in Schöllers Stimme.
    »Garantiert.
Sport und Disziplin. Und deine ewige Schnorrerei war ich auch leid.« Hartleib verschränkte
die Arme und betrachtete seinen schmachtenden Kollegen. Er legte den Kopf ein wenig
in den Nacken und wirkte in dieser Haltung herablassend auf Schöller. Genau das
war auch seine Absicht.
    »Okay, zurück
zu Pohlmann. Du wolltest wissen, was er hat, was du nicht hast. Ich sag’s dir.«
Hartleib grinste und diese Grimasse erreichte Schöller wie eine schallende Ohrfeige.
»Er ist clever.« Hartleib hob die Hand und korrigierte sich. »Nein, warte … Er ist
gerissen.«
    »Du meinst,
er war, bevor er …«
    Werner protestierte
entschieden. »Schätze, das kann jedem passieren. Viele Leute bekommen heutzutage
einen Burn-out: Ärzte, Lehrer, Manager, Sekretärinnen, Musiker, warum nicht auch
Polizisten. Und dann noch die Sache mit Sabine …«
    Schöller
hob die Hände, so, als wollte er sich ergeben. »Okay, aber trotzdem. Vielleicht
wird er nie wieder so fit sein wie damals.«
    »Das hoffst
du vielleicht, aber ich kann dir versichern, dass er wieder der Alte sein wird.
Er ist schlau. Bevor er abhaute, hatte er einen siebten Sinn für manche Sachen.
Keine Ahnung, wie er das machte. Wenn keiner mehr weiterwusste, kam Pohlmann daher,
zog irgendeinen Joker aus der Tasche und zack – Fall gelöst.«
    Hartleib
hustete. Schöller auch.
    »Nee, wirklich«,
fuhr Hartleib fort. »Du kennst ihn ja nicht so richtig. Bist ihm ja erst einen Monat
vor seiner Abreise begegnet.«
    Schöller
ging in seinem verrauchten Büro auf und ab. Gedanken an eine neue Packung Zigaretten
blieben wie eine sich festgebissene Zecke in seinem Gehirn haften. Schließlich wurde
ihm wieder bewusst, dass man dabei war, an einem Bein des Sessels zu sägen, auf
dem er saß.
    »Hallo?
Schon vergessen? Ich bin der offizielle Ersatz für Pohlmann.« Schöller hackte mit
seinem rechten Daumen Falten in sein gebügeltes Hemd. Sein novemberbleiches Gesicht
färbte sich rosa. »Wenn Pohlmann aus seinem bolivianischen Nest zurückkommt, bedeutet
das, das ich demnächst gehen kann. Außendienst, Strafzettel schreiben – oder wie
darf ich das verstehen?«
    »Ecuador«,
korrigierte ihn Hartleib und achtete darauf, seiner Stimme eine Prise Überheblichkeit
zu verleihen. Endlich war der Moment gekommen, Klaus Schöller aus der Fassung zu
bringen, und er genoss diesen Moment mehr als den faden Sex mit seiner zurzeit übellaunigen
Frau.
    »Puerto
Lopez, um genau zu sein. Whale watching, Piña colada, dunkelgebräunte Mädels am
Strand.« Hartleib ließ den Blick in den wolkenverhangenen Himmel Hamburgs schweifen.
»Ich find das klasse. Warum denn nicht? Würdest du auch machen, wenn du könntest.«
    Schöller
sinnierte und musste ihm leider recht geben.
    »Tja, wahrscheinlich
würd ich das. Doch ich versteh’s trotzdem nicht. Pohlmann hatte fast zwei Jahre
Auszeit. Warum sollte er aus seinem Paradies freiwillig zurückkommen wollen?« Hartleib
schloss sein Sakko und sah Schöller eine Weile an, ohne gleich etwas zu erwidern.
Dann wusste er die Antwort. »Weil er sich schon nach einem Jahr zu Tode gelangweilt
hat, deshalb. Weil er
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