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Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Titel: Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
Autoren: Ian Rankin
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als die meisten Stand-up-Comedians des Fringe. Die beiden hätten Brüder sein können, und zwar aus den Dreißigerjahren. Sie trugen zwar billige moderne Sachen, hatten aber geschorene Köpfe, abstehende Ohren und bleiche Gesichter mit dunklen Ringen unter den Augen. Man sah sie förmlich aus alten Fotos herausstarren, mit Stiefeln, die zu groß, und finsteren Blicken, die zu alt für sie waren. Sie wirkten nicht nur älter als die übrigen Kinder, sondern sogar älter als Rebus.
    Als er sich abwandte, stellte er sie sich in Sepiatönen vor.
    Er schlenderte in Richtung Gemeindezentrum. Dabei kam er an ein paar Garagen und einer der drei zwölfstöckigen Mietskasernen vorbei. Das Gemeindezentrum selbst war nicht mehr als eine schlichte Halle, klein und heruntergekommen, mit vernagelten Fenstern und den üblichen unleserlichen Graffiti. Ringsum von Betonklötzen umgeben, hatte es ein niedriges asphaltschwarzes Flachdach, auf dem jetzt vier Teenager lagen und Zigaretten rauchten. Ihre Oberkörper waren nackt, ihre T-Shirts hatten sie sich um die Taille geknotet. Bei den vielen Glasscherben, die es da oben gab, hätten sie glatt als Fakire im Varieté auftreten können. Einer von ihnen hatte einen Stoß Papier neben sich liegen und faltete daraus Papierflugzeuge, die er dann vom Dach herunterschweben ließ. Nach der Anzahl Flieger zu urteilen, mit denen der Rasen übersät war, musste es im Tower ein ziemlich hektischer Vormittag gewesen sein.
    Von der Tür des Zentrums war die Farbe in langen Streifen abgeblättert, und in das darunter sichtbar gewordene Sperrholz war von einem Fuß oder einer Faust ein Loch gestanzt worden. Doch die Tür war fest verschlossen, und zwar nicht nur mit einem, sondern sogar mit zwei Vorhängeschlössern. Zwei weitere Jugendliche saßen auf dem Boden, den Rücken gegen die Tür gelehnt und die übereinander geschlagenen Beine ausgestreckt – Wachleute bei einer Zigarettenpause. Ihre Turnschuhe sahen ziemlich ramponiert aus, ihre Jeans waren geflickt und zerrissen und wieder geflickt. Vielleicht war das aber auch nur die aktuelle Mode. Der eine trug ein schwarzes T-Shirt, der andere eine offene Jeansjacke ohne was darunter.
    »Is’ zu«, sagte die Jeansjacke.
    »Wann macht’s auf?«
    »Abends. Aber nich für Bullen.«
    Rebus lächelte. »Ich glaube nicht, dass wir uns schon kennen. Wie heißt du denn?«
    Der Junge antwortete mit einem gekünstelten Lachen. Schwarzes-T-Shirt stieß einen Grunzer aus, der als Lachen gedeutet werden konnte. Rebus bemerkte weiße Schuppen in seinem Haar. Keiner der Jungen würde etwas sagen. Die Teenager auf dem Dach waren inzwischen aufgestanden, bereit, wenn nötig, einzugreifen.
    »Harte Burschen«, sagte Rebus. Er drehte sich um und entfernte sich. Jeansjacke sprang auf und lief ihm hinterher.
    »Was is’ los, Mr. Bulle?«
    Rebus würdigte den Jungen zwar keines Blickes, blieb aber stehen. »Warum sollte etwas los sein?« Ob beabsichtigt oder nicht, traf ihn ein Papierflieger am Bein. Er hob ihn auf. Auf dem Dach lachten sie leise. »Warum sollte etwas los sein?«, wiederholte er.
    »Keine Faxen. Sie sind nich unser sonstiger Bulle.«
    »Abwechslung versüßt das Leben.«
    »Muss ’ne Verwechslung sein. Ich war zur Tatzeit gar nich da.«
    Rebus lächelte wieder. Er wandte sich dem Jungen zu. Das Gesicht hatte gerade die Aknephase hinter sich und würde noch ein paar Jahre lang gut aussehen. Wenn nicht Drogen oder Schlägereien, würden es schlechte Ernährung und Alkohol ruinieren. Das feine Haar war blond und lockig wie das eines Kindes. Die eng beieinander stehenden Augen strahlten eine wache Intelligenz aus. Es lag eine Wut darin, die jederzeit aufflammen konnte, und noch etwas, woran Rebus lieber nicht denken mochte.
    »Bei dem, was du draufhast«, sagte er, »solltest du auf dem Fringe sein.«
    »Mit ’m Scheißfestival kannste mich jagen .«
    »Willkommen im Klub. Wie heißt du, mein Junge?«
    »Sie stehen richtig auf Namen, was?«
    »Ich kann’s rausfinden.«
    Der Junge schob die Hände in die Taschen seiner engen Jeans. »Das wolln Sie nich.«
    »Nein?«
    Ein langsames Kopfschütteln. »Glauben Se mir, das wolln Se wirklich nich.« Der Junge drehte sich um und ging zu seinen Freunden zurück. »Könnte sonst sein«, sagte er über die Schulter, »dass Ihre Karre nächstes Mal überhaupt nich mehr da steht.«
    Und tatsächlich schien es Rebus beim Näherkommen, als versinke sein Auto im Boden. Aber es waren nur die Reifen. Die Jungs waren
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