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Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio

Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio

Titel: Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
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doch es geschieht. Allerdings ist der Steinbewuchs nicht die einzige Besonderheit dieser Kiefer.«
    Die Tenna ging am Rand des Schattens entlang, und Nadja folgte ihr ehrfürchtig, sprachlos ob der monumentalen Ausstrahlung des Baumes. Zugleich sah sie, dass sich auch an Yogamatsu Auswirkungen des Untergangs zeigten. Die einst hellgrünen und silbernen Nadeln waren an einigen Stellen grau und verdorrt. Wo braune Nadeln wuchsen, gab es auch hässliche dunkle Flecken. Dennoch wirkte der Baum erhaben, alt wie die Welt und unbeeindruckt von seinem Verfall.
    Er ist das Sinnbild eines stolzen Elfen, der in den Tod gehen muss
. Nadja musste an Fanmór und den Grogoch denken, die beide schon alt waren, und zog die Schultern leicht nach oben. Die Tenna bemerkte es.
    »Du siehst den Verfall«, erkannte sie. »Ja, auch hier zeigen sich die Auswirkungen des Schreckens wie im Rest meines Reiches. Doch bekümmere dich nicht deswegen. Wir werden den Rat des Baumes erbitten, ohne ihm dadurch zu schaden. Wir brechen keine Steine aus ihm heraus.« Die Tenna ging zu einem hohen Pult aus dunkelbraunem Holz, auf dem sich mehrere golden schimmernde Bogen aus feinstem Seidenpapier befanden. Obwohl ein leichter Wind wehte, lagen die Blätter so flach, als seien sie an das Holz geklebt.
    Neugierig trat Nadja näher. »Was hat dieser Baum mit der Auswahl meiner Helfer zu tun?«
    Die Elfenkaiserin hob einen dünnen goldenen Stift. »Dieser Baum ist Kami. Er ist göttlich. Der Mondgott Tsuki-yomi hat ihn einst in seinen Sternenträumen erschaffen. Tsuki-yomi verschwand bald darauf. Manche sagen, sein Bruder Susanoo, der Sturmgott, habe ihn erschlagen. Andere behaupten, er sei in diesem Baum aufgegangen und habe sein Bewusstsein in ihn gerettet. Fest steht, das dieser Baum etwas besitzt, über das wir Elfen nicht verfügen: eine Seele. Seit Urzeiten steht er uns mit seinem Rat zur Seite, ein Geschenk der Götter an die Elfen. Nimm den Stift, Nadja, und formuliere auf dem Zettel, was du in Tokio zu erreichen gedenkst. Schreibe deine Ziele und Wünsche auf. Dann wird der Baum dir raten, wen du mit dir nehmen sollst, damit sich deine Wünsche erfüllen. Gewiss ist das keine Garantie für ein Gelingen, doch der Baum hat schon vielen Elfen guten Dienst erwiesen. Er wird durch mich zu dir sprechen, sobald du alle Zettel an seinen Ästen befestigt hast.«
    Nur zögernd nahm Nadja den Stift entgegen. Was durfte sie sich wünschen? Dies war die Anderswelt, und auch wenn der Baum göttlichen Ursprungs war, ging es doch um einen elfischen Zauber. Und die hatten meistens Tücken!
    Ich muss sehr genau überlegen, was ich möchte, und ich muss mich beeilen
.
    Nadja trat an das Schreibpult und legte los.
Ich wünsche mir, David und Rian so schnell wie möglich zu finden – lebend und am besten gesund. Ich wünsche mir, dass ich dabei nicht zu Schaden komme und schon gar nicht sterbe, weil ich zu den Sidhe Crain zurückkehren will, zu Talamh. Meine Helfer sollten in der Lage sein, mich und die Meinen zu beschützen und allen Fährnissen zu trotzen. Im Gegenzug werde ich der Tenna helfen, ihren Feind aufzuspüren und zu identifizieren
.
    Nadja spürte, wie ihre Augen brannten. Sie sah Davids Gesicht vor sich und die violetten Augen, in denen sich das Baumschloss der Crain spiegelte.
    Hastig schrieb sie die Worte auf. Die Zettel waren klein. Sie brauchte sieben von ihnen, bis sie mit der Wahl ihrer Worte zufrieden war. Zögernd griff sie nach den silbernen Bändern, die die Tenna ihr reichte, und befestigte die zusammengerollten goldweißen Zettel an besonders tief hängenden Ästen. Jedes Mal, wenn ihre Hand den Baum berührte, erschrak sie leicht. Obwohl es wie Holz roch, fühlte es sich nicht wie Holz an, sondern lebend, pulsierend; alt und machtvoll. Als sie endlich alle sieben Zettel aufgehängt hatte, fühlte sie sich so erschöpft und ausgelaugt wie nach einem Kampf.
    »Tritt nun zurück!«, befahl die Tenna. Die Schleppe ihres feuerroten Gewandes glitt über die schwarzen Steine der Festung, als die Kaiserin sich dem Baum näherte. Mit zögerlichen Schritten kämpfte sie sich durch seinen Schatten, streckte die Hände vor und legte die Finger an den gewaltigen Stamm, den nicht einmal Fanmór mit seinen Armen hätte umfassen können.
    Ein Leuchten ging über den Baum. Für einen Moment erblickte Nadja Yogamatsu so, wie sie früher ausgesehen haben musste: silbern und hellgrün, blühend vor neuen Knospen und steinernen Blüten aus funkelnden Gemmen. Der
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