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Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)

Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)

Titel: Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
Autoren: Maya Shepherd
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angegangen, dass ich in der Hitze der Sonne ohnmächtig wurde. Eigentlich zählt es nicht zu meinen schönen Erinnerungen aus der Zeit mit den Rebellen, doch jetzt drücke ich meine Hand wie einen Schatz an meine Brust. Die Legion konnte mir weder meine Narben noch meine Erinnerungen nehmen. Sie sind ein Teil von mir. Auch wenn ich jetzt in den Augen der Legion wieder D518 bin, werde ich Cleo in meinem Herzen bewahren, bis zu dem Tag, an dem ich sie freilassen kann. Der Tag, an dem ich wieder mit Finn vereint sein werde.
    Ich lasse mich zurück auf das Kissen gleiten und schließe meine Augen.
    Bereits jetzt fällt es mir schwer, mich daran zu erinnern, wie mein Gesicht an dem letzten Abend bei den Rebellen aussah. Doch umso leichter fällt es mir, mich an Finn zu erinnern. Sein Gesicht ist wie in meine Netzhaut gebrannt. Ich kann die Grübchen in seinen Wangen sehen, wenn ich mir sein sparsam benutztes Lächeln vorstelle, und das spitzbübische Leuchten in seinen Augen, die so blau sind wie der Himmel an einem sonnigen Tag. Die Wellen seiner blonden Haare erscheinen mir so nah, als müsste ich nur meine Finger ausstrecken, um sie berühren zu können.
    Ich denke an unseren letzten gemeinsamen Moment. Es war unser Abschied für eine ungewisse Zeit. Vielleicht für immer. Aber es war der Moment, der mein Leben für immer verändert hat. Denn es war der Moment, in dem ich liebte. Ich fahre mir mit den Fingerspitzen über meine brüchigen Lippen und fühle Finns Lippen hart auf meinen. Unser Kuss war voller Verzweiflung und Angst, aber da war auch so viel mehr. Es war ein unausgesprochenes Versprechen. Wir werden uns wiedersehen. Irgendwann.
     
    Es ist schwer zu sagen, wie viel Zeit vergeht, wenn es keine Sonne gibt, an der man sich orientieren kann. Früher hatte ich in der Sicherheitszone einen durchgeplanten Tagesablauf. Ich stand auf, wenn die Legion mich weckte, arbeitete und ging zu Bett, wenn die Legion mir sagte, dass es nun Zeit dafür sei. Ich war in der Lage, Minuten und Sekunden in meinem Kopf zu zählen. All das habe ich bei den Rebellen verlernt. Dort stand ich auf, wenn die Sonne mich durch das kleine Fenster in dem Zimmer von Iris und mir weckte. Kein Tag war wie der andere. Jeder war neu und schön zugleich.
    Am schlimmsten ist jedoch die Ungewissheit. Ich weiß nicht, was die Legionsführer mit mir vorhaben. Sehen sie mich als Feind? Oder erwarten sie meine Mithilfe bei der Vernichtung der Rebellen?
    Ich gehe davon aus, dass ich mich zurzeit auf der Krankenstation befinde, aber wie wird es weitergehen? Oder geht es vielleicht gar nicht weiter? Werden sie mich jetzt hier für den Rest meines Lebens festhalten? In einer leeren Zelle, gefangen in meinen eigenen Gefühlen und Erinnerungen?
    Ich halte inne und lausche. Es ist ein leises Klappern zu hören. Ein mechanisches Summen ertönt und die Stahltür der Zelle gleitet auf. In ihrer Öffnung steht eine Legionsführerin. Sie trägt ein schmales Tablett in der Hand. Hinter ihr kann ich den sterilen Gang des Krankenflügels erkennen. Er trägt grüne Streifen, passend zu den grünen Anzügen der Ärzte und Labormitarbeiter. Als ich noch den Bildungsunterricht besuchte, habe ich selbst lange davon geträumt, einmal zu ihnen zu gehören. Ich wollte etwas erreichen in der Sicherheitszone. Etwas Besonderes sein. Doch es kam ganz anders. Anstatt zu B518 wurde ich zu D518, eine Angestellte der Nahrungszuteilung.
    Die Tür schließt sich hinter der Legionsführerin und sie tritt mit ruhigem Gang auf mich zu. Dadurch erweckt sie sofort mein Misstrauen. Niemand in der Legion geht normalerweise ruhig. Alle haben Aufgaben, die sie in vorgegebener Zeit erledigen müssen. Es gibt keinen Grund, Zeit zu vergeuden.
    Doch die fremde Frau tut noch etwas Eigenartiges, indem sie sich neben mich auf das Bett setzt. Ihre Haltung drückt so etwas wie Mitgefühl aus. Ich muss mir das einbilden. In der Sicherheitszone gibt es keine Gefühle. Sie sind zwar nicht direkt verboten, aber das liegt daran, dass sie einfach nicht existieren. Sie sind genauso wenig Bestandteil des Lebens wie die Sonne.
    Neugierig mustere ich die Augen der Frau und erstarre. Ich kenne sie. Zwar sind sie genauso lichtblau wie alle anderen, aber es ist der Funke von Gefühl, den ich in ihnen wiedererkenne. Sie ist die Legionsführerin, die ich bereits als Kleinkind getroffen habe. Damals hatte ich mein Nachthemd zerstört, doch anstatt mich zu bestrafen, sagte sie mir eine große Zukunft voraus. Sie
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