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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom
Autoren: Die Unperfekten
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weiter.
    »Du darfst aber nichts davon
verwenden.«
    »Du kriegst schon keinen Ärger
deshalb.«
    »Das ist meine Information.«
    »Unsinn. Es ist einfach eine
Information, die gehört niemanden, die existiert unabhängig von dir. Ich kann's
jetzt auch gar nicht mehr nicht wissen. Soll ich mich jetzt feierlich bei dir
entschuldigen? Ich hab dich bloß um einen kleinen Gefallen gebeten. Ich
verstehe nicht, wo das Problem ist. Tut mir ja leid«, schließt Lloyd, »aber du
hast mir diesen Gefallen getan.«
    Er eilt nach Hause - könnte
noch klappen bis Redaktionsschluss. Er ruft Menzies an. Hah, verdammt noch
mal, hah, denkt er, während er in der Leitung hängt. »Tja, mein Freund«, sagt
er dann, »ich hab eine Story für dich.«
    Menzies wartet, bis er
ausgeredet hat. »Halt mal - Frankreich schlägt eine UN-Friedenstruppe für den
Gazastreifen vor? Da macht Israel nicht mit. Ist 'n Rohrkrepierer.«
    »Bist du da ganz sicher? Egal,
mein Bericht besagt, dass die Franzosen mit dem Gedanken spielen. Was damit passiert,
ist eine andere Sache.«
    »Wir brauchen das bestätigt.«
    »Krieg ich hin.«
    »In vier Stunden ist Deadline.
Also, reiß dir deinen Reporterarsch auf und ruf mich in neunzig Minuten wieder
an.«
    Lloyd legt auf. Er starrt auf
seine alten Telefonnummern. Er kennt nicht mal den aktuellen Stand in Sachen
Gaza. Er ruft Jeromes Handy an, aber das klingelt nur endlos. Er findet eine
Nummer im Außenministerium. Vielleicht kriegt er da Informationen, ohne Jerome
als Quelle zu enttarnen. Aber klar kriegt er die. Hat er Millionen Mal gemacht,
so was. Er ruft im Pressestab des Außenministeriums an und ist zum ersten Mal
dankbar, dass die bekloppte Francoise Jerome ihren eigenen Nachnamen verpasst
hat - kein Mensch wird »Lloyd Burko« mit ihm in Verbindung bringen.
    Er stellt der Pressefrau ein
paar einleitende Fragen. Aber die ist eher darauf gedrillt, Informationen aus
ihm herauszuholen, als ihm welche zu geben. Er bricht das Gespräch bald ab. Er
hat kaum aufgelegt, als das Telefon klingelt: Menzies.
    »Diesmal rufst du mich an«,
sagt Lloyd mit leisem Triumph.
    »Ich hab deine Story in der
Nachmittagskonferenz erzählt, und Kathleen ist total aufgeregt«, sagt er. »Und
du weißt ja, was los ist, wenn unsere Chefredakteurin sich aufregt.«
    »Also nehmt ihr die Story?«
    »Wir wollen die erst mal
lesen. Ich persönlich würde sie glatt bringen.«
    »Wie viel Platz habt ihr
dafür?«
    »So viel du brauchst.
Vorausgesetzt, die Story ist wasserdicht. Wie gesagt, wir müssen sie erst mal
lesen. Hältst du sie übrigens für titelseitentauglich?«
    Eine Story auf Seite eins
läuft immer im Blatt weiter, das heißt, sie muss sogar länger sein. Und länger
heißt mehr Geld. »Titelseite«, sagt Lloyd. »Definitiv titelseitentauglich.«
    »Du
sitzt hoffentlich schon dran, ja?«
    »Hatte
gerade das Außenministerium dran.«
    »Und?«
    »Da höre ich dasselbe.«
    »Also, du holst dir schon
Bestätigungen - starke Sache. Steht bisher noch nirgends.«
    Nach dem Gespräch wandert Lloyd
durch die Wohnung, starrt aus dem Fenster, kratzt an der Scheibe, kramt in
seinem Gedächtnis nach irgendeiner brauchbaren Quelle. Nein, keine Zeit. Jetzt
kann er nur noch mit dem arbeiten, was er hat - eine Information von einer
einzigen Quelle zurechttricksen, mit Hintergrundmaterial aufmotzen und beten,
dass das Ganze durchrutscht. Er setzt sich an seinen Word Processor und haut
eine Story zusammen, wahrscheinlich die dünnste, die er je versucht hat loszuschlagen.
Er reißt das Blatt aus der Maschine und legt es daneben. Kein einziges Zitat,
null.
    Er zieht ein neues Blatt ein
und schreibt ein Stück, wie es sich gehört: mitsamt korrekten Zitaten von
Gesprächspartnern, Daten und Truppenzahlen, Angaben zu Kabinettsdebatten und
transatlantischen Feindseligkeiten. Lloyd beherrscht sein Handwerk - er weiß,
wie man mit Konjunktiven, Vorschlägen, Testballons ein Nichts blendend
abpolstert. All seine ausgedachten Quellen sind »enge Mitarbeiter von« oder
»Experten für«, die aber selbstverständlich »anonym bleiben möchten«. Niemand
ist namentlich genannt. Zehntausend Zeichen. Er rechnet aus, was die bringen.
Genug für die Miete - eine Galgenfrist lang. Genug, um Jerome ein anständiges
Hemd zu kaufen. Mit Eileen etwas trinken zu gehen.
    Er liest alles noch mal durch
und streicht mit Rotstift durch, was anfechtbar sein könnte. Dadurch wird der
Text kürzer, also bastelt er ein paar Redundanzen in die Zitate
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