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Qual (German Edition)

Qual (German Edition)

Titel: Qual (German Edition)
Autoren: Stephen King , Richard Bachman
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dabei? Ohne George losfahren? Er würde keine fünf Meilen weit kommen, bis sie ihn schnappten. Wahrscheinlich schnappten sie ihn gleich bei der ersten Ampel. Er konnte nicht ohne George fahren.
    Aber George ist tot.
    Das war doch Affenscheiße. George war gerade noch da gewesen. Er war nur ein Bier trinken gegangen.
    Er ist tot.
    »Ach, George«, stöhnte Blaze. Er saß über das Lenkrad gebeugt da. »Ach, George, bitte sei nicht tot.«
    So saß er eine ganze Weile da. Der Motor des Fords klang okay. Er klopfte nicht oder irgendwas, obwohl es so kalt war. Die Tankanzeige stand auf drei Viertel. Der Rauch aus dem Auspuff stieg im Rückspiegel auf, weiß und eisig.
    George kam nicht aus der Kneipe. Konnte er auch gar nicht, weil er nämlich nie reingegangen war. George war tot. Schon seit drei Monaten. Blaze fing an zu zittern.
    Nach einer Weile fing er sich wieder. Er fuhr los. Niemand stoppte ihn an der ersten Ampel, auch nicht an der zweiten. Den ganzen Weg aus der Stadt hielt ihn niemand an. Als er die Stadtgrenze von Apex erreichte, fuhr er etwa fünfzig Meilen pro Stunde. Manchmal geriet der Wagen auf vereisten Stellen leicht ins Schleudern, aber das beunruhigte ihn nicht weiter. Er steuerte einfach mit. Seit seinen Teenagertagen fuhr er schon auf vereisten Straßen.
    Außerhalb der Stadt beschleunigte er den Ford weiter auf sechzig und ließ ihn dann einfach rollen. Die Scheinwerfer umklammerten die Straße mit hell leuchtenden Fingern und prallten von den Schneeverwehungen auf beiden Seiten strahlend zurück. Mann, da würde ein College-Junge aber
Bauklötze staunen, wenn er mit seinem College-Mädchen zu dem leeren Parkplatz zurückkehrte. Sie würde ihn ansehen und sagen: Du bist ein Dummkopf, mit dir gehe ich garantiert nicht mehr, hier nicht her und nicht sonst wohin.
    »Weder – noch«, sagte Blaze. »Wenn sie ein College-Mädchen ist, wird sie sagen: weder hierher noch sonst wohin.«
    Dabei musste er lächeln. Das Lächeln veränderte sein ganzes Gesicht. Er schaltete das Radio ein. Rockmusik. Blaze drehte am Suchknopf, bis er einen Sender mit Countrymusic fand. Als er dann den Schuppen erreichte, sang er aus vollem Halse mit und hatte George völlig vergessen.

2
    ABER AM NÄCHSTEN MORGEN erinnerte er sich wieder.
    Das war der Fluch, wenn man ein Dummkopf war. Man wurde von Trauer immer überrascht, weil man sich die wirklich wichtigen Sachen nämlich einfach nie merken konnte. Das Einzige, was hängen blieb, war dummes Zeug. Wie zum Beispiel dieses Gedicht, das sie in der fünften Klasse bei Mrs. Selig auswendig lernen mussten: Unter dem weiten Kastanienbaum, steht des Dorfes Schmiede. Wozu sollte das gut sein? Wozu sollte es gut sein, wenn du dich dabei ertappst, wie du Kartoffeln für zwei schälst, und dir das Wissen sofort wieder eine satte Ohrfeige verpasst, dass du überhaupt keine zwei Portionen Kartoffeln schälen musst, weil nämlich der andere Typ nie wieder eine Knolle verputzen wird?
    Tja, vielleicht war’s ja gar nicht Trauer. Vielleicht war dieses Wort nicht das richtige. Nicht wenn es weinen bedeutete und seinen Kopf gegen die Wand schlagen. So was machte man nicht für solche Typen wie George. Aber da war die Einsamkeit. Da war Schmerz. Und da war Angst.
    George würde sagen: »Mein Gott, kannst du nicht endlich mal deine beschissene Unterwäsche wechseln? Die Dinger stehen ja schon von allein. Das ist ekelhaft.«
    George würde sagen: »Du hast nur einen zugebunden, du Schwachkopf.«
    George würde sagen: »Aaach, Scheiße, dreh dich um und ich stopf’s dir rein. Wie bei einem Kleinkind.«
    Als er an dem Morgen, nachdem er den Ford gestohlen hatte, aufstand, saß George im anderen Zimmer. Blaze konnte ihn nicht sehen, wusste aber, dass er wie immer in dem kaputten Sessel saß, den Kopf so weit gesenkt, dass sein Kinn fast seine Brust berührte. Das Erste, was er sagte, war: »Du hast schon wieder Scheiße gebaut, Kong. Meinen herzlichsten Scheißglückwunsch.«
    Als seine Füße den kalten Boden berührten, sog Blaze scharf die Luft ein. Dann schlüpfte er unbeholfen in seine Schuhe. Nackt bis auf die Schuhe rannte er zum Fenster und schaute hinaus. Kein Auto. Er seufzte erleichtert. Vor seinem Mund stieg eine kleine Wolke auf.
    »Nein, hab ich nicht. Ich hab ihn in den Schuppen gefahren, wie du gesagt hast.«
    »Du hast aber die Scheißspuren nicht verwischt, oder? Wieso stellst du eigentlich nicht gleich ein Schild auf, Blaze? HIER LANG ZUM GEKLAUTEN AUTO. Du könntest Eintritt
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