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Qual (German Edition)

Qual (German Edition)

Titel: Qual (German Edition)
Autoren: Stephen King , Richard Bachman
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nicht sagen, ich hoffe, dass Ihnen auch ein paar Tränen kommen, aber …
    Doch. Doch, ich werde das sagen. Solange es nur keine Lachtränen sind.
    Stephen King (für Richard Bachman)
Sarasota, Florida
30. Januar 2007

STEPHEN KING

ERINNERUNG
    Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner
     
     
     
     
     
     
     
    Stephen Kings Kurzgeschichte »Memory« (Erinnerung) wurde 2006 in der Sommerausgabe der Literaturzeitschrift Tin House (Vol. 7, Nr. 4) veröffentlicht. Sie bildet die Keimzelle zu seinem großen Roman Wahn , der im Frühjahr 2008 im Heyne Verlag erschien.
    ERINNERUNGEN SIND WIDERBORSTIG; hört man auf, ihnen nachzujagen, und kehrt ihnen den Rücken zu, kommen sie oft von allein wieder zurück. Das sagt Kamen. Ich erkläre ihm, dass ich der Erinnerung an meinen Unfall nie nachgejagt bin. Manche Dinge, sage ich, vergisst man lieber.
    Schon möglich, aber auch darauf kommt’s nicht an. Das sagt Kamen.
    Mein Name ist Edgar Freemantle. Ich war mal eine große Nummer im Baugewerbe. Das war in Minnesota, in meinem anderen Leben. In jenem Leben war ich ein echter amerikanischer Erfolgsmensch; ich habe geschuftet wie ein Berserker, und mir ist alles geglückt. Als Minneapolis-St. Paul boomte, hat auch The Freemantle Company geboomt. War das Geld mal knapper, habe ich nie versucht, etwas zu forcieren. Aber ich habe mich auf mein Gespür verlassen und damit meist richtig gelegen. Als ich fünfzig war, waren Pam und ich rund vierzig Millionen Dollar schwer. Und unsere Beziehung war noch immer intakt. Manchmal gefielen mir andere Frauen, aber ich bin nie fremdgegangen. Am Ende unseres persönlichen Goldenen Zeitalters war eine unserer Töchter an der Brown University und die andere im Rahmen eines Austauschprogramms als Lehrerin im Ausland. Kurz bevor alles aus dem Ruder lief, haben meine Frau und ich Pläne geschmiedet, sie dort zu besuchen.
    Ich hatte einen Unfall auf einer Baustelle. Das ist damals passiert. Ich saß in meinem Pick-up. Die rechte Seite meines Schädels wurde eingedrückt. Meine Rippen wurden gebrochen. Meine rechte Hüfte wurde zertrümmert. Und obwohl ich sechzig Prozent des Sehvermögens meines rechten Auges behielt (an guten Tagen mehr), verlor ich fast den ganzen rechten Arm.
    Ich hätte mein Leben verlieren sollen, aber das tat ich nicht. Dann sollte aus mir so ein Gemüse-Simpson, ein Koma-Homer werden, aber auch das passierte nicht. Als ich wieder zu mir kam, war ich ein reichlich verwirrter Amerikaner, aber das Schlimmste verging wieder. Bis es so weit war, war auch meine Frau gegangen. Sie ist jetzt mit einem Kerl verheiratet, der Bowlingbahnen besitzt. Meine ältere Tochter mag ihn. Meine jüngere Tochter hält ihn für einen Wichser. Meine Frau sagt, dass sie ihre Meinung noch ändern wird.
    Vielleicht sí , vielleicht no . Sagt Kamen.
    Wenn ich sage, dass ich verwirrt war, meine ich damit, dass ich anfangs nicht wusste, wer Leute waren oder was mir zugestoßen war oder warum ich so grässliche Schmerzen hatte. An Stärke und Beschaffenheit dieser Schmerzen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß, dass sie unerträglich waren, aber das ist alles ziemlich theoretisch. Wie das Foto eines Berges im National Geographic . Damals waren sie nicht theoretisch. Damals hatten sie mehr Ähnlichkeit mit einer Gipfelbesteigung.
    Die Kopfschmerzen waren vielleicht das Schlimmste. Sie wollten einfach nicht aufhören. Hinter meiner Stirn war es ständig Mitternacht im größten Uhrengeschäft der Welt. Weil mein rechtes Auge ziemlich kaputt war, sah ich die Welt
durch einen Blutfilm – und wusste noch immer kaum, was die Welt war. Nur wenige Dinge hatten Namen. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem Pam im Zimmer war – ich lag noch im Krankenhaus, das war vor der Reha-Klinik – und an meinem Bett stand. Ich wusste, wer sie war, aber ich war stinksauer, weil sie sich nicht hinsetzte, obwohl das Ding, auf dem man saß, gleich drüben in der Maismiete stand.
    »Hol den Freund«, sagte ich. »Setz dich auf den Freund.«
    »Wie meinst du das, Edgar?«, fragte sie.
    »Den Freund , den Kumpel! «, brüllte ich. »Hol den gottverdammten Kameraden her, du dumbe Kuh!« Die Kopfschmerzen brachten mich um, und sie begann zu weinen. Ich hasste sie dafür, dass sie zu weinen begann. Sie hatte nichts zu weinen, denn nicht sie steckte im Käfig und sah alles durch rote Nebel. Nicht sie war der Affe im Käfig. Und dann fiel es mir ein. »Hol den Spezi her und setz dich um Himmels willen!« Näher kam mein
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