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Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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den
Kopf und blickte stur vor sich in sein Heft. Erst als sie sich wieder der Tafel
zuwandte und weiter vortrug, blickte er auf. Nur noch drei Minuten. Seine Lippen
waren trocken und die Zunge klebte am Gaumen. Jetzt ein Eis. Marco träumte von einer
Tüte mit Erdbeer- und Vanilleeis, leckte sich die Lippen und übersah, dass der Zeiger
der Uhr wieder vorgesprungen war. Das schrille Läuten der Schulglocke riss ihn aus
seinen Träumen. Während die Lehrerin ihnen noch sagte, was sie bis zum nächsten
Mal als Hausaufgabe hatten, warf Marco sein Heft und die Füllfeder in seinen kleinen
Rucksack und stürmte, als sie endlich in die Freiheit entlassen wurden, wie ein
Verrückter aus dem Klassenzimmer. Der Flur war angenehm kühl, dafür empfing ihn
draußen vor der Tür ein Hitzeschock. Doch das war ihm egal. Er hatte nur ein Ziel:
den Pizza- und Eisladen in seinem Wohnviertel.
     
    Bruno Veneto war ein einsamer Mensch.
Der gelernte Bäckermeister, der viele Jahre mitten im Dorsoduro eine kleine, gut
gehende Bäckerei geführt hatte, war müde geworden. Deshalb hatte er vor einigen
Jahren das Bäckerhandwerk an den Nagel gehängt und seinen Laden in ein Stehlokal
mit ein paar kleinen runden Tischen und hohen Hockern umgebaut. Hier verkaufte er
nun an die vorbeiziehenden Touristen Pizzastücke. Da er den Pizzateig selbst herstellte
und auch bei den Dingen, mit denen er seine Pizze belegte, auf Qualität achtete,
führte ihn ein Reiseführer für Rucksacktouristen als Geheimtipp an. Das Geschäft
lief dadurch noch besser, und Bruno hatte eine Hilfskraft anstellen müssen. Sie
hieß Fiorella, war 21 Jahre jung und hatte runde, apfelförmige Titten und einen
knackigen Arsch. So hatte er sie dem Polizisten beschrieben, bei dem er Anzeige
erstattete, als sie nach eineinhalb Jahren Mitarbeit in seinem Laden und eineinhalb
Monaten in seinem Bett mit seinen Ersparnissen durchgebrannt war. Bruno, der sich
in den eineinhalb Monaten der Liason plötzlich wieder wie ein junger Stier gefühlt
hatte und dabei nichts weiter als ein alter Hornochse gewesen war, hatte sich seitdem
von den Menschen abgewandt. Seinen Kummer bewältigte er mit selbstzerfleischenden
Grübeleien und einem gewaltigen Pensum an Arbeit. Und so lief es für den Kleinunternehmer
Bruno Veneto finanziell besser denn je. Dies verdankte er unter anderem auch Fiorellas
Idee, beim Eingang eine Eisverkaufstruhe aufzustellen. Trotzdem schwor sich Bruno
Veneto, nie mehr eine Frau bei sich anzustellen. Er pilgerte aufs Arbeitsamt und
bekam eine männliche Pfeife nach der anderen zugeteilt: Arbeitsscheue, die ihn schamlos
ausnutzten, Halbdebile, die nicht einmal bis zehn zählen konnten, Nordafrikaner,
die ihn beschissen, und Asiaten, die gleich ihre ganze Familie in seinem Geschäft
und seinem Haus unterbringen wollten. Er hatte gerade wieder so einen Kerl gefeuert,
als der kleine Marco abgehetzt sein Lokal betrat. Bruno musste grinsen, denn er
wusste genau, was Marco wollte: eine Tüte Erdbeer- und Vanilleeis. Da gerade eine
Gruppe Amerikaner in seinem Laden war, von der alle eine Pizza wollten, rief er
Marco zu, er solle sich das Eis doch selbst nehmen. Aus den Augenwinkeln beobachtete
er, wie der Bub sehr geschickt zwei Eiskugeln auf eine Tüte platzierte und gierig
zu schlecken begann. Das animierte ein vorbeikommendes Pärchen, ebenfalls Eis zu
kaufen. Als der Bub, der noch immer die Eiszange in einer Hand hielt, Bruno fragend
ansah, nickte dieser nur. So kam es, dass Marco im Laufe des Nachmittags über 50
Portionen Eis verkaufte und Bruno endlich eine Hilfskraft hatte, die fix beim Rechnen
war und die im Traum nicht daran dachte, ihn zu betrügen.

Acht
     
    Marco kam gegen sieben Uhr abends
erschöpft, aber glücklich nach Hause. Schließlich hatte er fünf Euro an diesem Nachmittag
verdient und zusätzlich noch zwei Portionen Eis, eine Cola sowie ein Mineralwasser
gratis bekommen. Alles in allem schwebte Marco auf Wolke sieben. Doch je mehr er
sich seinem Zuhause näherte, desto stärker klopfte sein Herz. Ein beklemmendes Gefühl
überfiel ihn, dass hinter der Wohnungstür Unheil lauern könnte. Und tatsächlich!
Als er zögernd den Schlüssel ins Schloss steckte und aufsperrte, wurde die Tür wie
von einem Tornado aufgerissen und ein Regen von Ohrfeigen prasselte auf ihn nieder.
Marco reagierte blitzschnell. Er schlug beide Arme schützend über dem Kopf zusammen,
ging in die Knie und kauerte sich auf den Boden. Doch das nützte ihm nichts, die
kräftige Hand
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