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Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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Gas. Wasser spritzte links und rechts,
die Fußgänger entlang des Kanals blickten erschrocken dem rasenden Ambulanzboot
nach. Ein schwer beladenes Lastenboot wich ihm im letzten Augenblick aus. In seinem
Kopf tobte ›Le sacrifice‹, das Opfer. Der zweite Teil des von ihm so geliebten Stravinsky-Stückes
›Le sacre du printemps‹. Göttliche Musik zu einem wahrlich genialen Kunstwerk, das
er geschaffen hatte. Jetzt war der Zeitpunkt des Showdowns gekommen. The point of
no return. Die göttliche, die unwiderrufliche, unerbittliche Auseinandersetzung
mit den Herdenmenschen. Mit den Massen des Mittelmaßes, mit dem Schlachtvieh der
großen Feldherren und Tyrannen. Menschenmaterial, das sowohl Hannibal als auch Alexander
der Große, Cäsar, Karl der Große, Hernando Cortéz, Napoleon, Churchill, Hitler,
Stalin, Mao, Ho Chi Minh und Pol Pot eingesetzt hatten, um in der ewigen Ruhmeshalle
aufgenommen zu werden. Im Walhalla der Menschenschlächter. Und auch er würde dort
seinen Platz finden. Nicht, weil er Hekatomben von Menschen ausgelöscht hatte, sondern,
weil er ein geniales Blut-Kunstwerk erschaffen hatte. Seine ›Quadriga‹ würde ihn
überleben, als Mahnmal und Opferaltar. Als Geniestreich eines Übermenschen. Er riss
den Gashebel zurück, als er fast mit zwei nebeneinander fahrenden Gondeln kollidiert
wäre. Zum Glück kam rechts ein Kanal, in den er einbiegen konnte. Nein, hier in
den stinkenden Kanälen wollte er nicht sterben. Wenn sterben, dann draußen im Angesicht
seines Kunstwerkes. Mit Champagner im Blut, Igor Stravinsky in den Ohren und der
›Quadriga‹ im Blick. Vor dem Altar seiner Genialität würde er sich selbst darbringen.
Mit einem wahren Blutbad, einem Gemetzel. Vor Aufregung bekam er schweißnasse Handflächen.
Seine Rechte schob den Gashebel wieder nach vorn, der Dieselmotor heulte auf, und
er sah sich mit nacktem Oberkörper vor der ›Quadriga‹ knien und sich, so wie es
einst die Samurai taten, das Messer in den Bauch stoßen. Sein Blut – his holy blood
– würde wie aus einer Quelle sprudeln. Eine Fontäne aus Blut, in weitem Bogen und
mit kräftigem Strahl. Stich um Stich würde sie Geschwister bekommen. Und der Schmerz,
der göttliche Schmerz würde in seinem Leib rasen. Ihn immer rasender, immer ekstatischer
werden lassen. Er würde dieser jämmerlichen Welt entrücken. Seine Hände gebadet
im dampfenden Blut seines lebendigen Leibes, der als Opfer dargebracht würde. Heiße,
von Blut klebrige Hände, die im aufpeitschenden Rhythmus von Stravinskys göttlicher
Musik seinen Körper entleibten. Die immer und immer wieder zustachen. Bis seine
Arme erlahmen und er vornüber stürzen würde. In das Meer seines eigenen Blutes,
das sich einer Welle des biblischen Flusses Jordan gleich über den Boden der Halle
ergießen würde. Er konnte es nicht erwarten. Dieses letzte, finale Blutopfer würde
sein Triumpf sein. His resurrection. His stairway to heaven. Und er würde es ganz
allein in sich, an sich und durch sich vollziehen. Hoher Priester und Opfer zugleich.
Gott, Priester, Opferlamm. Alles in einem. Dreieinigkeit in Ewigkeit. Amen.

Sechsundsechzig
     
    Dieser Tag war einer der glücklichsten
in Adi Benders Leben. Der letzte Drehtag dieser Unglücksproduktion, an der er jegliche
Freude und letztlich auch jegliches Interesse verloren hatte. Aufgrund unzähliger
Schwierigkeiten hatte die Drehzeit um einiges verlängert werden müssen. Das hatte
zu hässlichen Streitereien mit den Geldgebern, die dieses Projekt finanzierten,
geführt. Zum Glück war eine Ausfallversicherung abgeschlossen worden, die aufgrund
des beschissenen Regenwetters der letzten Wochen einen Teil der zusätzlich benötigten
Geldmittel bereitstellte. Die Organisation dieser zusätzlichen Drehtage glich einem
heftigen Schmerz im Hintern. Da die verpflichteten Schauspieler alle schon an weiteren
Drehorten und in Theatern Anschlussjobs hatten, war es extrem schwierig gewesen,
sie zu den notwendigen Nachdrehterminen nach Venedig einzufliegen. Schlussendlich
schafften sie es doch, und heute war der letzte Drehtag. Es waren nur noch zwei
Szenen, bei denen Teile des Canal Grande sowie der umliegenden Kanäle abgesperrt
wurden, in den Kasten zu bringen. Bender und seine Crew drehten mit drei verschiedenen
Kameras. Zum Glück regnete es nicht, und zum Glück gab es keinen strahlenden Sonnenschein.
Beides war für Filmaufnahmen nicht optimal. Es gab hohe Bewölkung, die trotzdem
einiges an Tageslicht durchließ, und keinen
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