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Pulverfass Iran

Pulverfass Iran

Titel: Pulverfass Iran
Autoren: Kamran Safiarian
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Störenfriede werden von den Sicherheitskräften |32| abgeführt. Schließlich verlassen viele westliche Delegierte empört den Saal. Ahmadinedschad stört das alles nicht. Er genießt den Triumph unter seinen Anhängern in Genf. Abends findet im berühmten Hotel Intercontinental ein Abschlussbankett statt, zu dem nur Diplomaten und deren Familien eingeladen sind. Kameras sind hier nicht erlaubt und der Zutritt wird ähnlich streng kontrolliert wie an einem Flughafen. Ich sitze zwei Tische entfernt von Ahmadinedschad, der mit Standing Ovations begrüßt wird. Nach einigen Foto-Sessions, in denen der Präsident sich publikumswirksam mit Babys und Jugendlichen ablichten lässt, hält er in Anwesenheit vieler iranischer Diplomaten und im Ausland lebender Iraner eine Brandrede, in der er die Atomdebatte anheizt und ein weiteres Mal gegen Israel hetzt. Eines der Zitate fällt besonders auf: „Ein Reporter sagte mir einmal“, so Ahmadinedschad, „wenn ihr die Finger nicht von der Atomforschung lasst, dann wird der Staat, den wir ja nicht akzeptieren (Israel), den Iran bombardieren. Ich entgegnete“, so der Präsident, „wirklich? Das ist ja gar nichts. Der Staat, all sein Gefolge und seine Verbündeten sollen einpacken. Sie können gar nichts gegen uns ausrichten“. Dabei lebt ausgerechnet in dem Staat, dessen Präsident den Holocaust leugnet und Israel als Erzfeind bezeichnet, die größte und älteste jüdische Gemeinde im Nahen Osten außerhalb Israels.
    Der Apokalyptiker oder: Warten auf den verborgenen Imam
    150 Kilometer südwestlich von Teheran liegt Ghom, die spirituelle Metropole der Islamischen Republik Iran. Hier diskutieren über 50.000 Theologiestudenten in Seminaren Fragen über Gott, Schöpfung und Erlösung. Hier war es auch, dass ein junger Theologiestudent aus Chomein in Seminaren und Diskussionen auf sich aufmerksam machte, der später zum Gegenspieler des Schah aufsteigen sollte. Nach Jahren im Exil kehrte |33| dieser Ayatollah Chomeini 1979 als Revolutionsführer triumphal in den Iran zurück. Die meisten Ayatollahs und Intellektuellen in Ghom halten das, was sich nur wenige Kilometer südlich der Stadt abspielt, für Aberglauben. In Dschamkaran steht eine Moschee, die sich inzwischen zu einer prächtigen Wallfahrtsstätte entwickelt hat. Hier soll der schiitische Messias erscheinen, so zumindest sagt es der Volksglaube. Bis zu zwei Millionen Pilger strömen Jahr für Jahr nach Dschamkaran. Und sie haben einen prominenten Unterstützer, der sie von höchster Stelle fördert – den Präsidenten. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat Präsident Ahmadinedschad 17 Millionen Dollar an die Pilgerstätte gestiftet. Auch den Bau einer Autobahn von Teheran nach Dschamkaran hatte er angeordnet. Dort erwarten die Schiiten Irans den Mahdi, unmittelbar vor dem Beginn des Jüngsten Gerichts. Der schiitischen Glaubenslehre nach lebt der zwölfte Imam, der Welterlöser, in der Verborgenheit. In ihm sehen die Gläubigen den letzten legitimen Nachfolger des Propheten. Im Jahre 941 n. Chr. soll diese mystische Person in einer Erdhöhle bei Samarra im heutigen Irak verschwunden sein. Eines Tages, nach einer Periode schrecklicher Kriege und gesellschaftlicher Dekadenz, soll er zurückkehren und den „gerechten islamischen Staat“ etablieren. Dann werde er die Gläubigen von Ungerechtigkeit, Not und Unterdrückung erlösen. Wie streng Ahmadinedschads Glaube an den verborgenen Imam ist, wie weit seine Visionen gehen und wie ernst er sie selbst nimmt, zeigt ein Ereignis, über das er nach seiner Rückkehr mit dem Geistlichen Ayatollah Djawadi Amoli selbst öffentlich sprach und das auf der Internetplattform You-Tube zu sehen ist. 13 Während einer Rede vor den Vereinten Nationen 2005, in der er gegen Amerikas Politik der „nuklearen Apartheid“ wetterte und für sein Land das Recht auf ein vollständiges Nuklearprogramm einforderte, will er „erleuchtet“ worden sein. Über ihn sei „ein Licht gekommen und es habe ihn umgeben, während die Häupter dieser Welt wie erstarrt gewesen seien“, berichtete er später im Iran.
    |34| Ahmadinedschad ist ein Anhänger der messianischen Gruppe Hojjatiye, genannt nach „Hodschat“, „der Beweis“, die in den 70er-Jahren unter dem Schah zunächst in der ostiranischen Stadt Maschad wirkte und sich später über das ganze Land ausbreitete. Nach ihrer Überzeugung sollte der Mahdi bald in Erscheinung treten und die Welt von Unglaube und Ungerechtigkeit erlösen.
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