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Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)

Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)

Titel: Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)
Autoren: Christian Ortner
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Folgen, teilweise arg in Misskredit geraten. »… Das geht mittlerweile so weit, dass man von einer ausgeprägten Demokratiedistanz bei einem relativ großen Teil der Bevölkerung in dem Sinne sprechen kann, dass man den in allgemeinen Wahlen demokratisch legitimierten Institutionen und vor allem Personen nicht länger zutraut, die anstehenden gesellschaftlichen Probleme und Herausforderungen zu bewältigen «, warnte 2011 eine Studie der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung über »Demokratie in Deutschland«.
    Dieser Studie zufolge ist das Fundament der Demokratie in Deutschland einigermaßen wackelig: » 37 Prozent der Deutschen glauben, dass die Demokratie in Deutschland weniger gut oder schlecht funktioniert (6 Prozent schlecht, 31 Prozent weniger gut). Da kann es kaum beruhigen, dass 54 Prozent glauben, die Demokratie funktioniere gut … oder sehr gut (6 Prozent). In der aktuellen Situation scheint der jahrzehntelang sicher geglaubte demokratische Grundkonsens zumindest teilweise beschädigt zu sein.« Dabei gibt es offenbar einen engen Zusammenhang zwischen dem ökonomischen Wohlbefinden des Bürgers und seiner Einstellung zur Demokratie: » Es spricht einiges dafür, dass die Beurteilung der Funktionsfähigkeit des demokratischen Systems in engem Zusammenhang mit der Einschätzung seiner Fähigkeit steht, soziale Gerechtigkeit herzustellen. « (»Demokratie in Deutschland«) Fast könnte man meinen, auch in den Kernstaaten des demokratischen Westens würde Demokratie nicht so sehr mit dem Recht, zwischen politischen Parteien wählen zu dürfen, assoziiert werden, sondern mit dem Recht, zwischen 200 Joghurtsorten und 500 Fernsehkanälen entscheiden zu können.
    Wenn aber das Bekenntnis der Wähler zur Demokratie schon jetzt so lustlos und vor allem an materielle Zuwendungen gebunden ist, können wir uns recht lebhaft ausmalen, wie wetterfest diese Demokratie sein wird, wenn Europa in den kommenden Jahren von einer wirklich harten wirtschaftlichen Krise heimgesucht wird. Wenn Kevin und Jessica vom Sozialstaat in einer derartigen Situation nicht mehr ausreichend bei Stimmung gehalten werden, dürften sie ziemlich üble Laune aufreißen. Und dementsprechend wählen. Dass in Frankreich 2012 schon ein Drittel der Wähler für links- oder rechtsradikale Parteien votiert haben, und das, obwohl das alte System der Wählerbestechung noch voll intakt war, ist ein kleiner Hinweis darauf, wohin sich die Demokratie dann entwickeln dürfte.
     

VIII. Das letzte Tabu – oder: Die Überwindung der Prolokratie
     
     
    M an muss kein übertriebener Pessimist sein, um angesichts der immer sichtbarer zutage tretenden Fehlfunktionen des demokratischen Betriebssystems in seiner derzeitigen Form zu befürchten, dass ein Souverän namens Kevin und Jessica den Laden früher oder später gegen die Wand steuern wird. Totalschaden durch Staatsbankrott, wenn irgendjemand diesen Souverän nicht daran hindern wird. Unter dem Eindruck der europäischen Schuldenkrise ersonnene Gesetze, die Parlamente daran hindern, künftigen Generationen in die Taschen zu greifen, sind ja sehr nett, werden aber nicht reichen. Dazu ist die unheilvolle Symbiose von bestechlichen Wählern und auf Kredit bestechenden Politikern einfach zu stark.
    Was aber tun?
    Von Winston Churchill stammt jenes berühmte Zitat, mit dessen Hilfe jede Debatte über die vermeintliche oder tatsächliche Unverwundbarkeit des demokratischen Verfahrens problemlos relativiert werden kann:
    » Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen. «
    Das stimmt erstens und ist zweitens alles andere als befriedigend. Sich resigniert damit zu bescheiden, dass die Demokratie zwar ziemliche Macken und Dysfunktionalitäten aufweist, aber immer noch besser funktioniert als die von uns gegangene DDR erscheint als Fundament dieses politischen Betriebssystems nun doch ein wenig dürftig. Eine leicht sauer gewordene Milch würden wir ja auch nicht deshalb mit Vergnügen zu uns nehmen, weil man uns darauf hinweist, dass die Qualität der Milch in manchen Ecken Schwarzafrikas noch schlechter zu sein pflegt. Ja, eh gut, aber was hilft uns das?
    Es gehört zu den weniger erfreulichen Aspekten der Demokratie, ganz besonders in den deutschsprachigen Ländern, dass es weitgehend tabu ist, völlig ohne Bedingungen und Restriktionen über die Frage zu debattieren, wie tauglich Demokratie als Herrschaftsform für das 21. Jahrhundert sein wird oder ob Alternativen zur
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