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Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Titel: Prinzessinnensöckchen (German Edition)
Autoren: Carolin Benedikt
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essen was sie will, die Alte hält ihr Gewicht. Bei ihr verschanzte sich selbst ein fettarmer Bio-Joghurt im Oberschenkel und ihr Hintern sah aus wie ein Friedhof für Tiefkühlpizzas.
    Sie sprintete durch die Fußgängerzone, die Passanten waren erschreckte Slalomstangen. Eine junge Frau, in der es wie bei einem altmodischen Telefon klingelte. Carmen blieb stehen, stemmte die Arme gegen die – natürlich viel zu dicken – Oberschenkel und schnaufte. Niemand hätte etwas davon, wenn sie 300 Meter vor dem Ziel tot zusammenbrechen würde. Köhler würde an ihrem Grab eine herzergreifende Rede halten und ihren Einsatz für sein Anzeigenblättchen loben. Darauf konnte sie locker verzichten. Wütend riss sie das Handy aus der Hosentasche, sah auf das Display. Köhler. Wer auch sonst.

    *

    Mann, die verarscht mich wieder, dachte Emily zuerst, als Hanna zu schreien anfing. So war sie halt. Witzig sollte das sein. Emily verdrehte die Augen. Sie stand noch in der Tür, Hanna war vorgegangen. Jetzt kam sie ihr entgegen, immer noch schreiend. Und Hannas schreckverzerrtes Gesicht erzählte, dass ihr nicht zum Scherzen zumute war. »Weg!« Sie rannte Emily beinahe um. Die dachte an nichts, sie begann ebenfalls zu rennen, immer hinter der anderen her. Dass Hanna so schnell war... im Sportunterricht bekam sie die Füße nicht hoch, jetzt flitzte sie durch den Wald, zwischen den Bäumen, deren Äste den Mädchen in die Gesichter peitschten. Aber sie verspürten keine Schmerzen. Sie rannten einfach. Dann stolperte Hanna.

    *

    »Wo sind Sie gerade? Wenn Sie jetzt antworten, noch im Bett, bringe ich Sie um.« Daran zweifelte Carmen nicht. »Fußgängerzone«, sagte sie mit allerletztem Atem. »Fußgängerzone? Soll das heißen, Sie haben Ihr Auto nicht dabei?« Sie erklärte es ihm, so gut es ging. »Aha«, sagte er nur. »Dann sprinten Sie zurück, fahren Richtung Meerbeck, aber auf der Bundesstraße, nehmen die Abzweigung nach Oberwied, biegen kurz nach dem Ortsschild in den ersten Feldweg rechts – da müssten dann schon Polizeifahrzeuge stehen. Machen Sie einen Knopf mehr an Ihrer Bluse auf, fragen Sie einen netten Beamten nach dem Tatort. Ein Toter im Wald.« Bevor Carmen antworten konnte, hatte Köhler aufgelegt.

2

    Den Weg hätte ihr Köhler nicht zu erklären brauchen. Hier ganz in der Nähe des Forsts, am Ortsrand von Oberwied hatte Carmen während ihres Studiums in einem Zimmerchen bei einer älteren Dame gewohnt. Eine fleißige Studentin mit Ambitionen, eine schöne Zeit – Carmen musste lächeln. Irgendwann nach dem Examen waren ihr die Ziele abhanden gekommen, sie war von hier weggezogen in die Stadt, Max war in ihr Leben getreten und dann wieder ausgetreten, sie hatte den Job beim Anzeigenblättchen bekommen, weil sie gut fotografieren und ein paar lockere Zeilen formulieren konnte – und sie wurde älter dabei. Sechsundzwanzig. Ihre früheren Kommilitonen schickten sich an Karriere zu machen, hangelten sich von einem Praktikum zum anderen, während Carmen Bürgermeisterinnen mit Überbiss und Dauergrinsen beim Überreichen von Blumensträußen knipste, dem Vorsitzenden des Hundezüchtervereins gut zureden musste, damit er nicht immer die Augen zusammenkniff, wenn sie ihn ablichtete, und den Launen ihres Chefs ausgesetzt war. Immerhin waren die berechenbar, nämlich garantiert schlecht.
    Max war das egal gewesen. Chill doch ruhig, hast es dir verdient, hatte er gesagt. Und warum sollten sich zwei verrückt machen? Sie würde sowieso Kinder bekommen, noch nicht jetzt, aber bald, Max als Patriarch, Ernährer der Familie. Das sagte er zwar nicht, aber Carmen wusste, dass er es dachte. Also das Leben verchillen, bis zum ersten Mal die Regel ausbleibt. Heiraten, schon wegen den Schwiegereltern, zwei ganz reizenden Menschen, die ihr einen Vorgeschmack ihrer eigenen Zukunft gegeben hatten. Ein properes Heim, ausgiebig Sommerurlaub, zwei bis drei Kinder und die Sorge, ob der Apfelbaum im eigenen Garten dieses Jahr Früchte trug oder nicht.
    Es war natürlich müßig, darüber nachzudenken. Poststudentische Faulheit, so hatte es ihre Freundin Gabi genannt. Du wachst morgens auf und beschließt, das Leben dorthin gehen zu lassen, wohin es dich führt. Die Zügel übernehmen kannst du noch früh genug. Oder jemand anderes tut es für dich.
    Im Oberwieder Forst war sie vor Klausuren immer spazieren gegangen, um den Kopf frei zu bekommen. Es gab dort gut angelegte Wanderwege, aber auch schmale Pfade, die ins Nichts zu führen
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