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Prinzessin oder Erbse

Prinzessin oder Erbse

Titel: Prinzessin oder Erbse
Autoren: Voosen Jana
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schönes Feuer lodert. Mit schmerzverzerrtem Gesicht reibe ich über die gerötete Haut, greife dann aber zum nächsten Blatt, um es den Flammen zu übergeben.
    »Sag mal, bist du vollkommen übergeschnappt? Was machst du da? Willst du unsere ganze Bude abfackeln? Bist du noch ganz dicht? Moment mal, ist das etwa …?« Fassungslos schaut sie auf den Herd. Ich nicke düster. »Mein Spaghettitopf. Mein schöner Topf!« Reflexartig greift sie nach dem Henkel und zieht mit einem Aufschrei die Hand zurück. »Au, verdammt!«
    »Vorsicht, heiß.« Mit einem grimmigen Lächeln entzünde ich Seite 78 meines Manuskripts. Noch liegt ein langer Weg vor mir, bis ich meine Vergangenheit gelöscht habe und ein neues Leben anfangen kann.

    »Ist dir klar, dass unsere Küchenmöbel aus Holz sind?« Wütend entreißt Julia mir das brennende Papier und wirft es in den Topf, der mittlerweile schon ein wenig zu glühen begonnen hat.
    Bevor ich wieder nach dem Stapel greifen kann, stürzt sie sich auf mich und ringt mich zu Boden. Ich bin dermaßen perplex, dass ich mich erst zu wehren beginne, als ich schon bäuchlings unter ihr liege und sie mir den linken Arm auf den Rücken gedreht hat. »Lass das«, keuche ich, ohne mich mehr als zehn Zentimeter in die eine oder andere Richtung bewegen zu können.
    »Du beruhigst dich jetzt«, sagt sie nachdrücklich, ohne ihren Polizeigriff zu lösen.
    »Lass mich los.« Ich sammele alle meine Kräfte und bäume mich auf, aber es ist deutlich zu erkennen, wer von uns beiden die letzten Jahre im Yogastudio verbracht hat. Ich habe nicht die geringste Chance gegen meine zierliche Mitbewohnerin. Während ich meine lächerlichen Versuche unternehme, sie abzuschütteln, ruht ihr Blick besorgt auf dem Spaghettitopf, aus dem mittlerweile etwas weniger Rauch quillt. Meine Muskeln erlahmen, ich lasse mich schwer auf den Boden zurücksinken und dann spüre ich Julias Hand an meiner Wange.
    »Was ist denn bloß passiert?«, fragt sie leise, und ich breche in Tränen aus.
     
    Nachdem das Feuer gelöscht und meine Tränen versiegt sind, sitze ich mit einer Tasse Yogi-Tee an unserem runden Küchentisch und starre düster vor mich hin, während Julia an ihrem Spaghettitopf herumscheuert.
    »Also, ich glaube, der ist hin.«

    »Tut mir leid!« Schuldbewusst sehe ich zu ihr auf.
    »Ach, schon gut, den konnte ich sowieso nie leiden«, lügt sie und stellt ihn mit einem Seufzer neben unseren roten Küchenabfalleimer. Dann sieht sie besorgt auf die rauchgeschwärzte Wand über dem Herd. »Ich glaube, ich weiß schon, was wir nächstes Wochenende machen.«
    »Was heißt hier, wir? Ich streiche die Küche. Das wäre ja noch schöner. Reicht ja schon, dass ich beinahe die Wohnung abgefackelt hätte.«
    »Soll ich im Call-Center Bescheid sagen, dass du heute nicht kommst?« Ich schüttele den Kopf.
    »Nein, danke. Ich rufe selber an und sage, dass ich gar nicht mehr komme. Ich bin keine Schriftstellerin mehr«, erkläre ich auf ihren verständnislosen Blick hin, »also muss ich auch keinen dämlichen Nebenjob mehr machen. «
    »Du willst aufhören? Nur weil dein Agent ein Idiot ist?«
    »Nein, nicht weil mein Agent ein Idiot ist, sondern weil niemand lesen möchte, was ich schreibe. Außer dir«, füge ich schnell hinzu, bevor sie den Mund öffnen kann. »Und meinen Eltern«, ergänze ich noch mit einem humorlosen Grinsen.
    »Du kannst doch nicht einfach aufgeben.«
    »Ich gebe nicht auf. Ich denke um«, sage ich knapp. »Ich suche mir einen richtigen Job und höre endlich auf, mir einzubilden, dass ich Talent hätte.«
    »Du hast Talent.«
    »Mach es mir nicht noch schwerer, bitte.«
    »Na gut. Wie kann ich dir helfen? Soll ich das hier mit zum Altpapiercontainer nehmen? Die nächste Yogaklasse fängt gleich an.« Sie steht vom Tisch auf und greift nach
meinem Manuskript, das noch immer, um die ersten achtundsiebzig Seiten ärmer, auf der Arbeitsfläche neben dem Herd liegt.
    »Du willst es bloß lesen.« Ich springe auf, bereit, mich auf einen weiteren, hoffnungslosen Zweikampf einzulassen.
    »Ich hab’s mir doch sowieso … Nein, ich verspreche dir, es wegzuwerfen«, antwortet sie, doch ich schüttele den Kopf.
    »Das mache ich selbst.«
    »Okay.« Sie drückt mir den Stapel in die Hand. »Ich muss los. Kann ich dich alleine lassen?« Ich nicke. »Machst du keine Dummheiten?« Ich schüttele den Kopf. »Okay«, sagt sie zweifelnd und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Weißt du, es ist schade um den
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