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Principia

Principia

Titel: Principia
Autoren: Neal Stephenson
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sich auch der optimistischste Hahn veranlasst gesehen hätte zu krähen. Daniel wurde mit höflicher Verbeugung das Privileg angeboten, mit Mr. Threader persönlich in dessen Privatkutsche mitzufahren, und er akzeptierte mit aufrichtigem Widerwillen.
    Da man Daniels Person solche Wertschätzung entgegengebracht hatte, verdiente es sein Gepäck (drei Schiffstruhen, von denen zwei Einschusslöcher aufwiesen), mit dem Karren transportiert zu werden, welcher der Kutsche unmittelbar folgte. Es dort unterzubringen war nicht ohne ein mehrminütiges Aus- und Umladen zu bewerkstelligen.
    Daniel blieb draußen, um den Vorgang zu beobachten, nicht weil er sich sorgte (sein Gepäck hatte schon Schlimmeres überstanden), sondern weil es ihm eine letzte Gelegenheit bot, sich die Beine zu vertreten, was er öfter tun musste, damit er keine steifen Knie bekam. Er taperte im Wirtschaftshof des Gasthauses umher, darum bemüht, im Mondlicht Dunghaufen auszuweichen. Die Träger hatten drei zusammengehörige Holzkästen abgeladen, deren glänzend polierte Oberflächen dieses Licht einfingen und zu einem Muster schimmernder Effekte verdichteten. Sie waren an den Kanten in fachmännischer Schwalbenschwanzverbindung zusammengefügt und mit schönen Beschlägen versehen: Scharnieren, Schlössern und Griffen, die so gestaltet waren, dass sie den natürlich geschwungenen Linien von Akanthusblättern und anderen pflanzlichen Motiven glichen, wie sie bei der altrömischen Innenraumgestaltung beliebt gewesen waren. Hinter ihnen auf dem Karren befand sich eine Reihe eigenartig winziger Kassetten, von denen einige nicht größer als Tabaksdosen waren.
    Die drei Holzkästen erinnerten Daniel an diejenigen, welche die betuchteren Fellows der Royal Society zur Lagerung und zum Transport naturwissenschaftlicher Wunder verwendeten. Als Hooke die Verdünnungsmaschine für Boyle gebaut hatte, hatte dieser zu ihrer Beförderung einen solchen Kasten anfertigen lassen, um ihre große Bedeutung zu unterstreichen.
    In seinem Laboratorium in der Kuppel von Bedlam hatte Hooke Schießpulver von Comstock verwendet, um den Kolben einer solchen Maschine anzutreiben, und gezeigt, dass es funktionieren konnte – oder, um mit Hooke zu reden, dass es als künstlicher Muskel dienen konnte. Denn Hooke, der Krüppel, hatte fliegen wollen, und ihm war klar gewesen, dass weder seine noch die Muskeln irgendeines anderen Menschen dafür stark genug waren. Er hatte gewusst, dass es bestimmte, beispielsweise aus Bergwerken dringende Dämpfe gab, die mit großer Heftigkeit verbrannten, und er hatte gehofft, die Kunst ihrer Erzeugung zu erlernen und dahinterzukommen, wie man sie in einen Zylinder einleiten konnte, damit sie einen Kolben bewegten – was gegenüber dem Schießpulver eine Verbesserung wäre. Doch dann hatte er sich von anderen Interessen ablenken lassen, und Daniel hatte seinerseits Ablenkungen erlebt, die ihn von Hooke weggeführt hatten. Falls Hookes künstliche Muskeln je vervollkommnet worden waren, so hatte Daniel sie weder gesehen noch je von ihnen gehört. Nun endlich wurden sie von Newcomen gebaut; doch seine Maschinen waren große, grobe Ungetüme, in denen sich widerspiegelte, dass er Grobschmied für Bergleute war – Hooke dagegen war Uhrmacher für Könige gewesen.
    Angesichts dessen, dass schon der flüchtige Anblick dreier guter Holzkästen zu derartigen Grübeleien führen konnte, wunderte sich Daniel, dass er morgens überhaupt aus dem Bett kam. Früher einmal hatte er befürchtet, das Alter bringe Senilität mit sich; inzwischen war er sich sicher, dass es ihn langsam lähmen würde, indem es jede Bagatelle mit allen möglichen Bedeutungen befrachtete. Und sich noch in so späten Jahren mit dem Projekt der Maschine zur Hebung von Wasser mittels Feuer einzulassen vereinfachte die Dinge schwerlich! Vielleicht ging er aber auch zu streng mit sich ins Gericht. Er war in einem Alter, in dem es einfach nicht möglich war, eines nach dem anderen zu erledigen. Er musste vieles gleichzeitig tun. Vermutlich hatten es Leute, die richtig gelebt und alles vernünftig geregelt hatten, so eingerichtet, dass alle ihre Bestrebungen parallel zueinander verliefen und sich eben dadurch gegenseitig verstärkten und unterstützten. Sie machten sich einen Namen als Zauberkünstler. Andere stellten fest, dass ihre diversen Unterfangen einander zuwiderliefen, und brachten niemals etwas zustande; sie endeten in scheinbarer Umnachtung oder erkannten die Sinnlosigkeit ihres
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