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Principia

Principia

Titel: Principia
Autoren: Neal Stephenson
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einen so abgefeimten Mann. Und das – der neue König, die starke Bank, die gesunde Währung und all die Werke von Naturphilosophen und ingénieurs – ist ein schöner Anfang für ein neues Weltsystem.«
    Darauf wirft Johann von Hacklheber einen Seitenblick auf Marlborough, der kurz vor einem Schwertkampf mit einem Herzog aus Deutschland steht.
    »Lasst Euch davon nicht beirren«, beruhigt Daniel ihn, »das gehört alles zum System.«

Epiloge
    Die Zeit, wenn auf Bewegung angewandt,
Misst ja, obgleich im Ewigen, die Dinge
Nach ihrer Dauer auch als Gegenwart,
Vergangenheit und Zukunft
    Milton, Das verlorene Paradies

Leibniz-Haus, Hannover
    NOVEMBER 1714
    Die meisten Männer würden, wenn sie knietief in Gold stünden, darüber sprechen. Nicht so diese beiden exzentrischen Barone.
    »Dann entstieg er seiner Sänfte und sah vollkommen gesund aus«, sagt Johann von Hacklheber.
    Er lässt sich auf einem leeren Fass nieder. Leibniz sitzt, durch die Gicht zu einer gekrümmten, gezierten Haltung gezwungen, schon eine ganze Weile. Sie befinden sich unter Leibnizens großem Haus, in einem Gewölbekeller, der eigentlich zur Aufbewahrung von Lebensmitteln dient. Doch die Weinflaschen, Bierfässer, Rüben, Kartoffeln und überquellenden Eimer mit Sauerkraut sind hinausgeschleppt und an die Armen verteilt worden. Danach wurde der Raum mit Fässern anderer Art gefüllt. Leibniz, der jetzt niemandem in Hannover mehr traut, ließ sie versiegelt, bis Johann eintraf. Johann hat sie geöffnet, die goldenen Platten herausgeholt und ordentlich gestapelt.
    »Das klingt, als wäre er vom Elixir Vitae wiederbelebt worden«, gibt Leibniz zu.
    »Ich dachte, Ihr glaubt nicht an so etwas«, sagt Johann und deutet auf die Goldplatten um sie herum.
    »Ich denke anders darüber als er«, sagt Leibniz, »kann aber die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Monaden, wenn sie richtig angeordnet sind, Dinge tun könnten, die uns wie Wunder anmuten würden.«
    »Nun, Ihr habt alles magische Gold, das Ihr Euch nur wünschen könnt, falls Ihr diese Gicht heilen wollt oder -«
    »Ewig leben?«
    Johann sieht verlegen aus, und statt zu antworten, greift er zur Brechstange und macht sich an einem weiteren Fass zu schaffen.
    »Ich vermute, dass manche unter uns schon ewig leben«, sagt Leibniz, »so wie Euer angeblicher Großonkel und mein Wohltäter, Egon von Hacklheber. Oder Enoch Root, wie andere ihn kennen. Nehmen wir einmal an, Enoch weiß, wie man den subtilen Geist so manipuliert, dass er Krankheiten heilt und das Leben verlängert. Na und? Was hat er vollbracht? Hat es wirklich etwas verändert?«
    »Wohl kaum«, sagt Johann.
    »Wohl kaum«, stimmt Leibniz ihm zu, »außer dass er vielleicht von Zeit zu Zeit jemandem, der sonst gestorben wäre, ein paar Jahre unverdienten Lebens gewährt hat. Enoch muss sich selbst in den letzten paar Jahrtausenden gefragt haben, was das alles für einen Sinn hat. Es ist offenkundig, dass er sich sehr für die Naturphilosophie interessiert und alles in seiner Macht Stehende getan hat, um sie voranzubringen. Warum?«
    »Weil die Alchimie ihn nicht befriedigt hat.«
    »Offensichtlich nicht. Nun, Johann, wie es scheint, wurden Sir Isaac von der Alchimie noch ein paar Jahre gewährt, und dennoch hat es ihm nichts an Glück oder Erleuchtung gebracht, was er nicht schon vorher besaß. Was uns einen weiteren Hinweis darauf liefert, warum es Enoch nicht befriedigt. Ihr führt an, ich könne ebenfalls das Salomonische Gold in diesem Keller dazu verwenden, mein Leben zu verlängern. Nehmen wir einmal an, das stimmt. Das ist aber offensichtlich nicht das Ziel, auf das ich von Enoch oder Salomon Kohan gelenkt wurde. Ganz im Gegenteil! Diese beiden haben versucht, das Gold mit Beschlag zu belegen und von dem einen Mann fernzuhalten, der es zu handhaben versteht: Isaac Newton. Würde ich in meinem Alter mit der Alchimie anfangen und diese Platten einschmelzen, um ein Elixier daraus zu machen – wahrlich, dann wäre ich ein zweiter Doktor Faustus! Mit demselben tristen Ausgang im letzten Akt.«
    »Ich ertrage es nicht, Newton triumphieren zu sehen, während Ihr hier in Hannover dahinwelkt und Euch die Kräfte schwinden.«
    »Ich habe das ganze Salomonische Gold. Nicht er. Das ist ein Triumph. Glücklich macht er mich aber nicht. Nein, ich werde nicht triumphieren, wenn ich nur nachahme, was er getan hat. Das ist Kapitulation. Sollte ich Newton überleben, dann nicht durch die Ausdehnung meiner Lebensdauer mithilfe unnatürlicher
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