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PR2633-Der tellurische Krieg

PR2633-Der tellurische Krieg

Titel: PR2633-Der tellurische Krieg
Autoren: Hubert Haensel
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Unverfallbarkeit der synthetischen Erinnerungen beginnt in zwölf Sekunden.
    Noch elf Sekunden ...
    Zehn ...«
    Die Schwerkraftveränderung legt die letzten vergänglichen Spuren der terranischen Expedition frei. Ein mumifizierter Leichnam lehnt an einem leeren Trinkwasserbehälter. Längst spannt sich die Haut über die hervortretenden Knochen. Gierig fallen die Nachzügler der Spinnen über den ausgemergelten Körper her.
    Nur das Namensschild auf der Brust des Toten ist zu erkennen.
    »Bentelly Farro« steht da in Leuchtschrift. »Lithosphärentechniker/Expeditionsleiter«.
    Der Mann im Sessel öffnete die Augen. Mit beiden Händen massierte er sich die Schläfen. Benommen lauschte er der Stimme.
    »Drei Sekunden ...«
    Er fasste mit Daumen und Zeigefinger nach seiner Nasenwurzel. Der Griff half, sobald ihm vor Müdigkeit die Augen übergingen.
    »Warte!«, rief er. »Ich ...«
    »Die erarbeitete Vita kann nicht mehr gelöscht werden«, meldete die Kunststimme unbewegt. »Zu deiner Information: Die Einstufung erfolgt in die niederste Gefährdungsklasse. Das bedeutet keine dauerhafte Prägung. Die Halbwertszeit des gewählten Niveaus liegt bei sechs Monaten; individuelle Abweichungen ...«
    »Ich weiß!«, murmelte Bentelly Farro. »Für alle weiteren vorschriftsmäßigen Hinweise: Ende. Ich kenne sie.«
    Er blinzelte in den Raum. Der Servo reagierte darauf mit der Projektion aller relevanten Daten, aber Farro interessierte sich weder für den Luftdruck noch für die Temperatur oder einen der anderen Werte. Nur für die Uhrzeit.
    1.28 Uhr, Tiempo del Centro Zona Mexico.
    Er war über seinem Hobby eingeschlafen. Kein Wunder, denn die Simulationen, die er in letzter Zeit wählte, hatten etwas Tiefgreifendes. Irgendwie, das wurde ihm zunehmend deutlicher bewusst, reagierte er darin auf seine Lebensgefährtin.
    Wie viele falsche Erinnerungen schlummerten mittlerweile in seinem Gedächtnis? Bentelly hatte darüber nicht Buch geführt. Zwei Dutzend, argwöhnte er. Wobei die ersten schon dem Vergessen anheim fielen. Er war nie so verrückt gewesen, eine lange Halbwertszeit zu wählen, die Wahrheit und Schein zu einem Gordischen Knoten verschlang. Mit der nötigen Vorsicht betrieben, waren die mentalen Implantate durchaus eine empfehlenswerte Erfahrungsebene.
    Von irgendwoher erklang ein leises Rumoren.
    Im ersten Moment glaubte Farro, dass Tai Ch'chara die Badelandschaft mit dem hohen Wasserfall aktiviert hatte.
    »Wo ist sie?«
    Ihr Flexsessel war leer. Das Material zeigte noch vage Wärmespuren ihres Körpers. Auf einer der Tischebenen stand das schlanke Glas, nur halb ausgetrunken. Bentelly fixierte die öligen Flüssigkeiten, die sich langsam wieder voneinander trennten. Er hatte einmal von dem Zeug versucht – es war ihm so fremd geblieben wie Tais Heimatwelt, die er nicht kannte. Oder doch? Ihre Erzählungen und die wenigen Holografien, die er bislang gesehen hatte, verarbeitete er in den Implantaten. Mehr war ohnehin nicht möglich.
    »Tai Ch'chara hat sich zur Regeneration zurückgezogen«, antwortete die Kunststimme.
    Das von ihren Körperschuppen abgesonderte Aroma hing noch in der Luft. Bentelly Farro schmeckte die feine Nuance, sie hatte etwas Beruhigendes, wühlte ihn aber zugleich auf.
    Eine Probe davon hatte er schon vor Monaten einem befreundeten Chemiker zur Analyse überlassen. Seitdem wusste er, dass Tais Wirkung auf einer Reihe chemischer Botenstoffe beruhte.
    »Offensichtlich vom Körper selbst produzierte Aphrodisiaka«, hatte der Freund festgestellt. »Du bist zu beneiden, Bent.«
    Es stimmte. Tai Ch'chara war völlig anders als alle Terranerinnen, die er kannte.
    Exotisch!
    Unbewusst hatte er immer schon nach ein wenig Abwechslung gesucht, nach einem Gegenpol zu seinem eher gleichmäßigen und vor allem so vorhersehbar gewordenen Arbeitsbereich.
    Das dumpfe Rumoren hielt an. Ein rascher Blick auf die Überwachung verriet Farro, dass die Dämpfungsfelder des Hauses aktiv waren. Wahrscheinlich tobte ein heftiges Gewitter, das sogar die akustische Abschirmung durchschlug.
    Er löste die Anschlüsse des Implantats und verstaute es in der Schutzhülle. Der kleine Robotdiener watschelte heran, wackelte auffordernd mit dem nahezu würfelförmigen Körper und fiepte zufrieden, als er die Verpackung erhielt.
    »Ende für heute.« Farro seufzte.
    Er verließ den Wohnbereich. Der Schuppenboden war ein Zugeständnis an Tai. Als er auf den Flur hinaustrat, huschten zwei ihrer »Symbionten« durch die offene
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