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PR2617-Der dunkelste aller Tage

PR2617-Der dunkelste aller Tage

Titel: PR2617-Der dunkelste aller Tage
Autoren: Hubert Haensel
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zugleich.
    Zwei Menschen, so unterschiedlich, wie Menschen sein konnten, bereiteten sich auf das Schlimmste vor. Sie brauchten nicht auszusprechen, was sie bewegte, denn einer wusste vom anderen, dass sie beide in ihrer Aufgabe aufgehen würden. Sie würden kämpfen, jeder auf seine Weise und mit den ihm eigenen Mitteln.
    Henrike Ybarri war eine zierliche und mit achtundfünfzig Jahren junge Frau. Sie verstand sich als Sachwalterin der Menschheit, genau wie Adams. Nur zählte für sie das Jetzt, das Hier und Heute in wesentlich stärkerem Maß.
    Jahrhundertplanungen wirkten auf Ybarri befremdlich, in solchen Zeiträumen zu denken widerstrebte ihr und weckte ihren Widerstand. Was nicht bedeutet hätte, dass Henrike Ybarri keine Visionen hatte. Kluge und vorausschauende Politik lebte in hohem Maß von Visionen und Leitbildern. Aber Ybarri wusste, wie unberechenbar launisch das Schicksal sein konnte, schon deshalb überließ sie die großen und weit vorausdenkenden Planungen lieber den potenziell unsterblichen Aktivatorträgern.
    Sie selbst gehörte zu den Sterblichen, den »normalen« Menschen, wie sie es Adams einmal aufgeregt entgegengeschleudert hatte. Was half es ihr und allen Terranern, die ihr vertrauten, wenn sie abgehoben an Projekten arbeitete, deren Realisierung keiner von ihnen erleben würde?
    Nein, sie hatte Adams damals nicht angegriffen. Sie beneidete ohnehin keinen der Aktivatorträger um sein vermeintliches Privileg. Henrike Ybarri hätte nicht einmal zu sagen vermocht, ob sie die Unsterblichkeit als erstrebenswert empfand. Das war schlicht und einfach kein Thema für sie.
    »Welchen Weg die Menschheit geht ...?«
    Leise und sinnend, als müsse er sich erst der Bedeutung ihrer Frage bewusst werden, wiederholte Adams die Worte der Ersten Terranerin. Sein Blick wanderte durch den Raum, als wolle er ausweichen oder suche etwas Bestimmtes. Als er die Holosäule in der Mitte des Konferenztischs als Bezugspunkt entdeckte, war das holografische Laotse-Gesicht erloschen. Die Hyperinpotronik hatte sich dezent zurückgezogen. Nur ein undefinierbares Flimmern war zu sehen.
    War das eine Antwort des Großrechners auf Ybarris Frage?
    Tief atmete Adams ein. Er war in seinem Sessel nach vorn gerutscht, hatte die Ellenbogen auf der Tischplatte aufgestützt und die Handflächen aneinandergelegt. Nun vergrub er das Gesicht in den Händen und massierte mit den Fingerspitzen die Stirn.
    »Ich habe meine Lektion zur Zeit der Monos-Herrschaft gelernt«, sagte er leise. Es klang, als rede er nur mit sich selbst und nicht für fremde Ohren bestimmt. »Manchmal ist es klüger, einer Konfrontation auszuweichen und in den Untergrund zu gehen. In der Hinsicht kann nie genug getan werden.«
    »Du sprichst von deiner Rolle in der Widerstandsorganisation WIDDER?«, wollte Ybarri wissen.
    »Mein Deckname war Romulus«, murmelte Adams gedankenverloren.
    »Das ist lange her ...«
    »Keine tausend Jahre.«
    Adams nannte die Zahl so selbstverständlich, ohne darüber nachzudenken, was sie für Menschen bedeutete, unter deren Schlüsselbein eben kein Aktivatorchip steckte, dass Ybarri ihn unwillig anstarrte.
    »Aber die Zeit heute ist eine andere«, sagte sie heftig. »Und die Umstände halten keinem Vergleich stand.«
    »Wir Menschen lernen aus unseren Fehlern«, sagte Adams mit Nachdruck.
    »Wirklich?« Nur dieses eine Wort erwiderte die Erste Terranerin. Doch darin drückte sich weit mehr aus als in vielen Sätzen.
    »Keiner von uns weiß, was die Zukunft bereithält.« Adams stemmte die Hände auf die Armlehnen und erhob sich langsam. »Aber die Vergangenheit kennen wir und können daraus lernen.«
    »Demnach weißt du längst, ob wir evakuieren müssen?«
    Adams reagierte mit einer vagen Geste. »Es kann so kommen«, antwortete er zögernd, und seine nachdenkliche Miene wich einem zuversichtlichen Lächeln. »Es kann aber ebenso viel schlimmer werden.«
    Sein Lächeln passte nicht.
    Es war ein Ausdruck, als stehe er über den Dingen. Die Mimik eines Schachspielers, dessen Hauptfiguren in der dreidimensionalen Falle seines Gegners standen und nur unter schweren Verlusten versetzt werden konnten. Dessen Lächeln den vermeintlichen Sieger verunsichern und zu einem Fehler verleiten sollte.
    »Aber Reginald Bull ist nicht tot?«, fragte die Erste Terranerin unvermittelt. Durchdringend schaute sie Adams dabei an.
    Er schüttelte den Kopf.
    Diesmal mit Nachdruck.

2.
    AMATERASU
    13. September, 21.22 Uhr
     
    Schrill gellte der Alarm.
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