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PR 2695 – Totenhirn

PR 2695 – Totenhirn

Titel: PR 2695 – Totenhirn
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Steuerhirn«, sagte der Sayporaner. »Ich fühle, dass das Fremde in das entstehende Neuroversum eindringt. QIN SHIS Truppen.«
    Ankersen erhielt die Bestätigung im selben Augenblick. Die Funkabteilung der RATBER TOSTAN hatte eine Nachricht bekommen, dass die Schlacht am Rande der Anomalie verloren war. Reginald Bulls Truppen befanden sich auf dem Rückzug, und sie hatten gehörige Mühe, ihn nicht wie eine heillose Flucht wirken zu lassen.
    »Ich kann die Feinde aufhalten«, fuhr Chourtaird mit Shamsur Rouths Stimme fort. »Bringt mich zu ihnen.«
    Ihr wohnte eine Kraft inne, die Ankersen niemals zuvor gehört hatte. Ein Seitenblick auf Henrike Ybarri überzeugte ihn, dass die Erste Terranerin ebenso dachte.
    Er zögerte keine Sekunde und gab den Befehl zur Kursänderung weiter.
    Es war der 16. Januar 1470 NGZ, 17.55 Uhr Terrania-Standardzeit, und der Kampf gegen die Truppen QIN SHIS erfuhr eine unerwartete Wende.

14.
    Der Dosanthi
     
    Chimao fühlte, dass sie auf verlorenem Posten kämpften. Jene Dosanthi auf der anderen Seite, die nach wie vor QIN SHI gehorchten, waren so viel besser organisiert als sie. Sie arbeiteten aus einer gewissen Routine heraus, und sie fühlten keinerlei Verunsicherung.
    War es richtig gewesen, QIN SHI abzuschwören? Hatten sie das Recht, ihren ehemaligen Herrn, ihren ehemaligen Verbündeten in Stich zu lassen? Warum überkamen Chimao ausgerechnet in diesem Moment derart blasphemische Gedanken?
    Die Antwort war leicht zu geben: Nicht weit von ihnen entfernt saßen Dosanthi, die ihnen derartige Gedanken in die Köpfe setzten, und obwohl er wusste, dass er beeinflusst wurde, konnte er sich kaum dagegen wehren.
    Chimao schluchzte. Er sehnte sich so sehr nach seiner heimatlichen Wand. Nach grünblauem Dosedo. Nach Beschaulichkeit, Dämmerlicht, nach Ruhe. Was taten sie bloß in diesem öden Einerlei, das frei von all dem war, was Dosanthi benötigten, um glücklich zu sein?
    Bara Ttamia neben ihm stieß ein angestrengtes Grunzen aus. Sie sagte etwas, das nach dem vorletzten Epistel klang, doch keinesfalls richtig ausgesprochen wurde. So, wie sie den Grundsatz betonte, ähnelte es einem lästerlichen Fluch.
    Sie starb, und Chimao konnte nichts dagegen unternehmen. Ihr Geist war völlig ausgebrannt. Zerschnitten von falschen Gedanken, zerstört von Bildern und Symbolen, die sie von anderen Dosanthi eingesetzt bekommen hatte.
    Es war alles so grässlich falsch ...
    Bara Ttamias Oberkörper verbuckelte, die Frau sackte durch.
    Ihre Siebenergruppe war nicht mehr vollständig, und auch die Umklammerung, in der sie sich befanden, erzeugte kein Gefühl des Zusammenhalts mehr. Sie waren allein für sich. Sechs Dosanthi, die den Leib der Frau neben sich erkalten spürten.
    »Ich springe ein«, sagte jemand im grässlichen, blendenden Lichterschein, der sie umfing. Und dann: »Okená!« Die rituelle Abschiedsformel, die auch an der Totenwand gesprochen wurde.
    Pirlo Mnacem, der Stellvertreter, war gekommen, um den Platz Bara Ttamias zu besetzen. Er war die letzte Reserve und die letzte Hoffnung für die Siebenergruppe.
    Doch auch er strahlte bloß Verdrießlichkeit und Angst aus. Nichts war mehr von seiner Virilität zu fühlen; von dieser ganz besonderen Energie, die einem Anführer der Dosanthi zu eigen war. Er war nun einer von ihnen. Müde, erschüttert, verängstigt. Bereit, das Unabänderliche hinzunehmen. Den Tod fern der Heimat.
    Sie unternahmen eine letzte Anstrengung, aus der Verzweiflung geboren. Sie bildeten einen geistigen Schutzwall gegen die Dosanthi QIN SHIS und ließen deren geistige Ausdünstungen abprallen. Doch ihr Widerstand bröckelte rasch. Die Verteidigungsmauer bekam Risse, wurde von Gedanken aus Angst und Wut durchdrungen, durchschnitten – und fiel dann in sich zusammen.
    Pirlo Mnacem war ein erbärmlicher Rundbuckler. Ein Blender, der alle Kraft aufgewendet hatte, als vorbildhaft zu wirken und andere Dosanthi glauben zu machen, dass er sie anführen konnte. Doch die Realität zeichnete das Bild eines schwachen, jammernden, Trauer geifernden Feiglings, der ihnen keinesfalls in ihrem Abwehrkampf half.
    Der Xylthen-Kommandant schickte Durchhalteparolen. Er glaubte, dass sie nur lange genug aushalten müssten, um den Sieg für die terranischen Truppen sicherzustellen.
    Doch wer waren die Terraner? Warum sollten sie an diese schwächlich wirkenden Geschöpfe glauben?
    Nein. Es ergab keinen Sinn mehr, und so wie Chimao gaben immer mehr Dosanthi in ihren Kammern der
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