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PR 2692 – Winters Ende

PR 2692 – Winters Ende

Titel: PR 2692 – Winters Ende
Autoren: Leo Lukas
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ziemlich im Dunkeln.«
    In Bullys Magengrube breitete sich ein mulmiges Gefühl aus. Wenn Wissenschaftler derlei eingestanden, war meistens Feuer am Dach.
    »Jedoch besteht ein gewisser, durch Fakten leidlich gestützter Grund zur Annahme«, setzte Brszescek fort, »dass die hyperphysikalischen Phänomene innerhalb der Anomalie mittelfristig weiterhin abklingen. Während hingegen deren Ränder – um das Ganze auf ein unzureichend analoges Bild herunterzubrechen – stellenweise gleichsam zerfransen. Sozusagen innen hui, außen pfui, wenn ihr mir die scherzhafte Formulierung gestattet.«
    »Zerfransen? Wie?«, fragte Henrike Ybarri. »Und vor allem – wieso?«
    »Die Expertenkommission, der ich angehöre, favorisiert eine Theorie, der zufolge die Randschicht durch einen bisher unbekannten Einfluss angegriffen und beschädigt wird.«
    »Von innen oder von außen?«
    »Gute Frage, Resident Bull. Auf welcher Seite der Angriff stattfindet, können wir derzeit nicht sagen.«
    »Der Unterschied ist nicht ganz nebensächlich, würde ich meinen.«
    »Allerdings. Kommt die Attacke von außerhalb, dürfte das auf Aktivitäten QIN SHIS hinweisen. Im anderen Fall könnte es unter Umständen mit Delorian zu tun haben.«
    Bully war sich nicht sicher, welche der beiden Möglichkeiten ihm lieber wäre. »So oder so dürfte ein Eingreifen mehr als nur schwierig sein, oder?«
    »In der Tat. Wir tun unser Möglichstes, den Vorgang näher zu erforschen und Methoden zu entwerfen, wie man ihn verlangsamen, aufhalten und idealer Weise sogar umkehren könnte.«
    »Wie hoch schätzt du die Aussicht auf Erfolg ein?«
    Der Swoon reckte die Arme zur Decke. »Sei mir nicht bös, Resident – aktuell brächten archaische Praktiken wie Kaffeesatzlesen oder Eingeweideschau mindestens ebenso zuverlässige Ergebnisse.«
    Die Erste Terranerin dankte dem Professor für die offenen Worte und setzte eine kurze Pause an.
     
    *
     
    »Kaum schöpfen wir Hoffnung«, sagte Henrike, während sie mit Bully durch einen der Wandelgänge schlenderte, »schon taucht die nächste Bedrohung auf.«
    »Du hast aber nicht im Ernst geglaubt, dass diese Sache größtenteils ausgestanden wäre?«
    »Nein, natürlich nicht. Das Bündnis mit der gemäßigten Fraktion der Sayporaner war ein wichtiger Schritt. Aber das dicke Ende ...«
    »Kommt noch. Mit Sicherheit. Darauf würde ich meinen Zellaktivator verwetten.«
    Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinanderher. Schließlich stieß die Erste Terranerin einen tiefen Seufzer aus.
    »Woran denkst du?«
    »An Shamsur Routh.«
    »Anicees Vater.«
    »Ja. Er hat nicht mehr lange zu leben. Seine geistige Zerrüttung schreitet immer weiter fort.«
    Der Journalist, der mit seinem sayporanischen »Ziehvater« Chourtaird zurück ins Solsystem gekommen war, wurde seit seiner Verlegung aus dem Kastell von Neo-Ganymed in der Ralph-Artur-Klinik von Terrania City versorgt. Die hochmoderne Anstalt nahe dem südwestlichen Ende des Goshun-Sees war nach dem seinerzeitigen Chefarzt der CREST II bis V benannt, der sie gegründet hatte.
    Der häufig zerstreute, stets missgelaunte Schrecken der Simulanten hatte irgendwann im dritten Jahrtausend alter Zeitrechnung Perry Rhodan das Leben gerettet und sich auch sonst reichlich Verdienste um die Menschheit erworben. Bully erinnerte sich gleichwohl nur vage an ihn.
    Selbst das Gehirn eines biologisch Unsterblichen verfügte nicht über unbegrenzten Speicherplatz. Wie das mit Homer G. Adams' fotografischem Gedächtnis und Atlans Extrasinn funktionierte, wollte Bully lieber nicht wissen ...
    Er räusperte sich. »Die Ärzte können nicht viel für Shamsur tun, nehme ich an?«
    »So ist es. Der Prozess scheint unaufhaltbar. Sie bemühen sich, sein Leiden zu lindern, aber ...«
    »Was soll ich sagen, Henrike?«
    »Dass du schon mehr gute oder zumindest gutwillige Leute kommen und gehen gesehen hast als die allermeisten von uns? Das ist mir bewusst.«
    »Aber kein Trost. Auch mir nicht«, versicherte Reginald Bull. Sanft legte er der zierlichen Frau eine Hand auf die Schulter. »Außer dir mein Bedauern auszudrücken, kann ich nur die zwangsoptimistische Weltsicht anbieten, dass dein Exehemann immerhin einen wertvollen Beitrag zum Friedensschluss mit den Sayporanern geleistet hat.«
    »Immerhin«, sagte Ybarri betrübt.
    »Immerhin«, sagte Bull.

2.
    Das Dilemma
     
    Etwa zur selben Zeit raste Yugen Estmon-Winter mit seiner Familie durchs All, genauer durch den Linearraum.
    Unter anderen Umständen
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