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PR 2679 – Der Herr der Gesichter

PR 2679 – Der Herr der Gesichter

Titel: PR 2679 – Der Herr der Gesichter
Autoren: Marc A. Herren
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gegangen zu sein. Und es würde mich nicht erstaunen, wenn du dies alles bereits gewusst hättest.«
    Xhakar rollte mit den Augen. Es war die einzige Bewegung, zu der sein präparierter Kopf fähig war. Den Rest des Gesichtes hatte man in neutraler Pose präpariert, um – wie QIN SHI in Bol'anaqs Gedanken las – die Würde des Hirnspenders unangetastet zu lassen.
    »Selbstverständlich weiß ich von den Irregularitäten!«, schnarrte es aus der Multimediaeinheit. »Ich bin Teil der Anlage, ich weiß alles, was hier vor sich geht!«
    Bol'anaq äußerte sich nicht zu den großspurigen Bemerkungen des Spenders. Über den Bildschirm rief sie die Hauptknotenpunkte des neuronalen Netzes auf und überprüfte die Leistungswerte im Datenaustausch. Sie gab sich alle Mühe, nicht auf Xhakars Worte zu hören, scheiterte aber.
    »Ihr hattet von Anfang an Probleme, SHIKAQINS Potenzial auszuschöpfen. Hättet ihr sonst auf uns Spender zurückgreifen müssen? Hättet ihr sonst die Anlagen um das fartranische Neuronennetz erweitert, wenn ihr ohne uns zum Ziel gelangt wärt? Ihr gebt euch so überzeugt von eurem großen Projekt, ihr identifiziert euch damit, als wäre es euer eigenes Kind!«
    Bol'anaq ließ das Messinstrument sinken.
    »Behalt deine Worte für dich, toter Mann!«, stieß sie leise aus. »Das Aufgehen im SHIKAQIN war dein Wunsch, dein Lebenstraum. Man hat dich und die anderen Sturköpfe davor gewarnt, eure alten Gehirne zu vernetzen, aber ihr wolltet nichts davon wissen. Nach der Unsterblichkeit habt ihr gesucht und euch über alle politischen, wirtschaftlichen und ärztlichen Ratschläge hinweggesetzt. Und nun, da euch langsam bewusst wird, dass die Vernetzung eurer modifizierten und manipulierten Hirnwindungen kein Allheilmittel gegen die Demenz und den Nervenzerfall ist, greift ihr uns an, die Techniker!
    Aber ich sage dir etwas, toter Mann: Heute Abend wird das Ethikkomitee tagen. Da werde ich mich dafür starkmachen, das unfartranische Dahinsiechen eurer wurmzerfressenen Gehirne zu beenden. Ich mache lieber zwei Schritte zurück als mit dir und deinesgleichen einen Schritt nach vorn!«
    Schwer atmend blieb sie stehen, den Blick starr auf das maskenhafte Gesicht Xhakars gerichtet.
    Die Augenlider senkten sich. »Das wäre ...«, begann er stockend, »nicht richtig. Wir sind Teil von SHIKAQIN. Wenn ihr uns herauslöst, ist es unser definitiver Tod.«
    »Das hättet ihr euch überlegen sollen, als ihr begonnen habt, die Datenströme zu manipulieren!«
    QIN SHI erkannte sofort, dass Bol'anaq keinen Beweis für ihre Behauptung hatte. Es war ein Schuss in die Schwärze des Weltraums hinaus in der Hoffnung, ein bestimmtes Staubkorn zu treffen.
    »Das stimmt nicht!«, reklamierte die Stimme des alten Fartranen sofort. »Du weißt genau, dass die wahren Schwierigkeiten erst begannen, als die Forscher der Legende der ›ersten Superintelligenz des Universums‹ nachgingen. Dieses Projekt brachte das innere Gleichgewicht von SHIKAQIN aus dem Lot. Teile der Rechnerebene zerstörten sich selbst, andere gewannen Autonomie. Die jüngeren Gehirne machten die Metamorphose mit und ...«
    Bol'anaq hob die mittleren Tentakel. »Ich weiß, ich weiß ... Du musst nicht weitersprechen.«
    »Verzeih die Worte eines alten, einsamen Mannes!« Xhakars Stimme klang unterwürfig, fast verzweifelt. »Und leg bitte ein gutes Wort bei dem Komitee ein für uns Alte. Wir wollen nicht sterben. Das ... das bist du mir schuldig, Tochter.«
    Die Fartranin richtete sich abrupt auf. »Seit unsere Unterbewusstseine letzte Nacht miteinander kommuniziert haben, wissen wir, dass dem nicht so ist, Xhakar.«
    QIN SHI folgte den Worten der beiden nicht mehr. Er hatte Bol'anaqs Gedanken gerade eine viel wichtigere Information entnommen.
    Die jüngeren Gehirne im Rechnerverbund waren anders mit SHIKAQIN verbunden als jene von Xhakar und seinen Gesinnungsgenossen. Man hatte die Gehirne den Köpfen entnommen und mittels hyperinpotronischer Feinverzahnung ohne Umwege über Gateways direkt integriert.
    Die autonomen Bereiche SHIKAQINS mit ihren fartranischen Gehirnen standen kurz davor, zu einer höheren Wesenheit zu werden.
    QIN SHI traf die Information wie keine zuvor seit dem schwierigen Moment nach seiner Entstehung. Eine höhere Wesenheit in Chalkada? Die sich vielleicht zu einer Superintelligenz entwickelte?
    Wuchs damit eine Konkurrenz in unmittelbarer Nachbarschaft zu seiner wichtigsten Fressquelle heran?
    Der Herr der Gesichter wusste, dass er eine solche
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