Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR 2658 – Die Stunde des Residenten

PR 2658 – Die Stunde des Residenten

Titel: PR 2658 – Die Stunde des Residenten
Autoren: Verena Themsen
Vom Netzwerk:
nicht, als könnte es Wärme schenken. Genau wie das Schimmern. Alles war kalt.
    Schnatterschnabel lauschte. Beim letzten Licht hatte sehr viel Lärm geherrscht. Aber als die Scharführerin zu Aufbruch und Flucht gerufen hatte, war es plötzlich dunkel geworden, und sie mussten bleiben.
    Probeweise stieß Schnatterschnabel einen Ruflaut aus. Keiner aus ihrer Schar schien in der Laune zu antworten.
    Sie schüttelte die dünne Schneeschicht ab, die sich auf ihrem Gefieder gesammelt hatte, und arbeitete sich etwas tiefer in die schützende Laubschicht. Das Eis auf einigen der Blätter brach knackend.
    Schnatterschnabel schob den Kopf wieder unter den Flügel.
     
    *
     
    Mit verschränkten Armen lehnte Reginald Bull an der Wand und starrte zur Decke hoch.
    Irgendwo dort, zwanzig Kilometer über ihnen, schwebte eine Stadt im Weltraum, nur mit einem Gerüst verbunden. Eines Tages sollte aus diesem Gerüst eine Kopie des Mondes Ganymed werden, auf dem die Stadt einst erbaut worden war. Reste des alten Mondes und Brocken aus den Asteroidengürteln wurden seit acht Jahren herangeschafft und an den Verstrebungen verankert.
    Irgendwann würde das nicht mehr notwendig sein, weil die Schwerkraft der akkumulierten Masse ausreichte, die neuen Lieferungen zu halten. Doch dieser Zeitpunkt lag Jahrzehnte in der Zukunft. So lange hielt nur das Stahlskelett alles zusammen.
    An einer der ersten installierten Streben, sozusagen dem Rückgrat des Mondes, hing ein wenig bemerkenswerter Asteroid. Er war grob ellipsoid, drei Kilometer in der langen Achse, während er in der kurzen Achse nur etwa 500 Meter maß, zum Teil auch weniger. In seinem Inneren war eine Höhle von etwa 150 Metern Durchmesser geschaffen worden, um darin ein 100 Meter hohes fassförmiges Gebilde mit einem Durchmesser von 80 Metern in der Mitte und 60 Metern an den Enden zu verankern.
    Ein Fass, das Noahs Arche zurzeit alle Ehre machen würde. Wir haben einen Utrofaren, der nicht mehr als Galionsfigur eines Fagesy-Schiffes dienen will. Ein cheborparnisches Au-pair-Mädchen und ihren terranischen Schützling. Die Überbleibsel einer dilettantischen Widerstandsgruppe aus Terrania samt ihrer übergelaufenen Fagesy-Geisel. Einen Sayporaner, der einen terranischen Journalisten adoptiert hat und ebenfalls nicht allzu glücklich mit dem Handeln seines Volkes ist. Die komplette Besatzung der BOMBAY, die darauf wartet, aus dem Tiefschlaf geweckt zu werden, in den sie fagesische Nanogenten geschickt haben. Und natürlich die ursprüngliche Besatzung, die Homer G. Adams hier eingesetzt hat, als er das Kastell als Rückzugsort seiner Society of Absent Friends ausgestattet hat. Wenn das so weitergeht, platzt das Fass bald aus allen Nähten.
    »Lass mich mitgehen.«
    Reginald Bull senkte den Blick zu dem Sprecher. Es war Oachono, mit dem er sich eben über die möglichen Sicherheitsvorkehrungen in der Solaren Residenz unterhalten hatte. Die beiden Arme, die der schlangensternartige Fagesy während seiner Entführung verloren hatte, waren schon fast wieder auf ihre volle Länge von über drei Metern angewachsen und kaum noch von den anderen dreien zu unterscheiden.
    »Es geht nicht«, antwortete Bull. »Am Anfang kann nur ich allein reingehen. Sollte ich Erfolg haben, ist es wichtig, Leute nachzuholen, die sich in der Solaren Residenz auskennen oder ganz spezifische Fähigkeiten haben, die dort von Nutzen sind. Auf dich trifft leider weder das eine noch das andere zu.«
    »Ich könnte mit den Fagesy reden, die dort stationiert sind.«
    »Sie alle haben von deiner Ansprache gehört. Sollte einer von ihnen seine Waffen niederlegen wollen, wird er das auch ohne deine Anwesenheit tun. Andererseits könnte aber jemand, der dich als Verräter sieht, sich dazu hinreißen lassen, dich zu töten. Das Risiko ist deutlich höher als der mögliche Nutzen. Ich möchte dich lieber hier in Sicherheit behalten, für den Tag, an dem wir zu deinem Volk friedlichen Kontakt aufbauen können.«
    »Du wirst keinen von ihnen dazu bringen können, sich zu ergeben. Sie ekeln sich vor Achsensymmetrischen wie dir.«
    »Wenn ich erst in meinem Kampfanzug stecke, sehe ich fast aus wie ein Fünfstrahler, also mach dir darum keine Sorgen. Die Antwort ist ›Nein‹, und sie bleibt ›Nein‹. Und jetzt muss ich weiter. Danke für deine Hilfe!«
    Der Fagesy hob einen Arm. Ob die Geste ein Abschied war oder etwas anderes, wusste Bull allerdings nicht.
    Der Terranische Resident setzte seinen Rundgang durch die Räume
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher