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PR 2649 – Die Baumeister der BASIS

PR 2649 – Die Baumeister der BASIS

Titel: PR 2649 – Die Baumeister der BASIS
Autoren: Michael Marcus Thurner
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den Erschaffer gedacht.
    Rodin hatte die Plastik geschaffen, um Dante Alighieri zu ehren – und dabei einen französischen Berufsboxer als Modell verwendet. Ein grobschlächtiger Kerl mit dem Gehirn einer Fliege stellte eines der größten Genies der Menschheitsgeschichte in einer idealisierten Form dar. Was für ein Widerspruch, was für ein verdammter Betrug! Doch niemand machte Rodin deshalb einen Vorwurf. Wir Terraner glauben nun mal nur an das, was wir sehen. Wie sie in mir den kettenrauchenden Feigling sehen.
    Trasur Sargon gibt uns Zeichen, ihm aus der Deckung heraus zu folgen. Der Gang verbreitert sich wie das Öffnungsstück eines Trichters. Der Weg führt anfangs sachte bergab. Bald nimmt der Grad des Gefälles gefährliche Ausmaße an. Flüssigkeit, die stechenden Geruch verbreitet, dringt hinter einem Wandpaneel hervor. Marie-Louise bückt sich und schnüffelt daran, als wäre sie ein Hund.
    Sie schüttelt den Kopf. Die Zwillinge blicken verzweifelt drein, während Trasurs Gesicht ausdruckslos bleibt. Eine weitere Hoffnung, unsere Trinkwasservorräte aufzustocken, ist dahin.
    »Hier geht's nicht weiter«, sagt der Ertruser leise. »Der Boden bricht immer weiter ab, hin zum Deck unter uns, und verschmilzt mit dem dortigen Boden.« Er hält sich an einer Schiene fest, die den Gang durchbohrt hat und wie ein Mahnmal angesichts all der Gefahren wirkt, die uns umgeben, sichtbar wie unsichtbar.
    »Wir kehren also um?«, frage ich und heuchle Erleichterung.
    »Wir suchen uns einen neuen Weg«, stellt Trasur Sargon klar. »Das Lager der Badakk ist bestenfalls hundert Meter von hier entfernt.«
    »Und du hast einen Plan, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten?«
    »Wir sondieren die Lage und entwickeln dann eine Strategie«, antwortet er ausweichend.
    »Ich habe Hunger«, mischt sich Gamma ein.
    »Den haben wir alle.« Wie zur Bestätigung beginnt der Magen des Ertrusers zu knurren, so laut, dass wir uns alles Geflüster hätten sparen können.
    Trasur blickt seltsam berührt zur Seite. Wie lächerlich! Ein Ertruser, der sich für seine Körperfunktionen geniert?
    »Also zurück.« Marie-Louise deutet nach hinten. »Unmittelbar hinter der Müllhalde war ein Kreuzgang ...«
    »... der links und rechts im Nichts endete.« Trasur schüttelt den Kopf.
    »Wir sollten ihn dennoch überprüfen. Abtasten. Vielleicht sind bloß dünne Trennwände ... gewachsen.«
    Gewachsen. Was für ein eigenartiges Wort in Zusammenhang mit der BASIS! Doch wir haben uns längst angewöhnt, das Riesenschiff als lebenden, sich stetig verändernden Organismus zu betrachten. Irgendwo schlägt womöglich ein Herz, an anderer Stelle befindet sich vielleicht ein Gehirn. Und wenn wir Pech haben, heften sich irgendwann maschinelle Gesundheitspolizisten auf unsere Fährte, um uns zu entfernen.
    Meine Phantasie geht mit mir durch. Ich ziehe Vergleiche, wo sie nicht angebracht sind.
    Wir trotten den Gang zurück, hin zur Müllhalde. Mühsam ziehen wir uns gegenseitig nach oben, rutschen immer wieder auf fauligem Gemüse weg. Zwei Schritt vor, einen zurück. Trasur setzt sich an die Spitze des Zugs. Ich tue so, als hätte ich meinen Mut wiedergefunden, und folge ihm, während Marie-Louise die Nachhut bildet. Sie redet mit leiser Stimme und sparsamer Gestik auf Gamma ein.
    Möchte sie ihm Mut machen, schimpft sie mit ihm? Es schert mich nicht. Sollte der kleine Mann zur Gefahr werden, werde ich für ein bedauernswertes Unglück sorgen.
    Die Ratten zischen und fiepen, als ich vorsichtig an ihrem Versteck vorbeisteige – und schweigen plötzlich.
    Meine Sinne schlagen Alarm. Irgendetwas stimmt nicht!
    Wie zur Bestätigung sehe ich die beiden Nagetiere ihre sichere Deckung verlassen. Sie flitzen dahin, den Gang entlang, von einem guten Dutzend ihrer Artgenossen verfolgt. Unter mir, im Lager ihrer Beute, ertönen knirschende Geräusche.
    »Weg hier!«, rufe ich und drehe mich zu meinen nachdrängenden Gefährten um. »Rasch, macht schon!«
    »Was ist lo...«
    »Frag nicht, beeil dich!«, fahre ich einen der kaum voneinander unterscheidbaren Jungen an. Ich greife nach seiner Hand, ziehe ihn mit mir, den Müllhügel abwärts. Geschickt weiche ich vorstehenden und spitzen Metallstücken aus, überspringe lose Drahtschlingen einer Kabeltrommel, überwinde die etwa acht Meter Höhenunterschied binnen weniger Sekunden.
    Trasur betrachtet mich erstaunt und nachdenklich zugleich, als ich neben ihm zu stehen komme. »Der Haufen bewegt sich!«, rufe ich, ohne mich
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