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Ploetzlich verliebt

Ploetzlich verliebt

Titel: Ploetzlich verliebt
Autoren: Katja Henkel
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sicher, ob der Satz grammatikalisch stimmte, aber egal. Ich wusste, dass Marli mich verstand. Ich lächelte sie schief an und strich über das rote Freundschaftsbändchen mit dem Türkis. Der Türkis ist ein Schutzstein und soll unsere Freundschaft bis in alle Ewigkeit beschützen.
    Marli betrachtete ihr eigenes Freundschaftsband, dann sah sie mich an und ihre Augen hauten mich wie fast jedes Mal um. Die sind so violett wie mit einem Filzstift ausgemalt, so eine Farbe habe ich außer bei ihr noch bei niemandem gesehen.
    Â»Es ist …«, fing sie an und räusperte sich. »Es ist, als ob wir Schwestern wären, oder? Ich habe mir immer welche gewünscht.« Das Violett ihrer Augen wurde nun ein bisschen wässrig. Sie würde doch nicht etwa anfangen zu weinen? »Ich wollte immer Geschwister haben und … na ja, eben einfach eine richtige Familie.«
    Ich sagte nichts, sondern nahm nur ihre Hand. Ich konnte mir gut vorstellen, dass es merkwürdig war, nur mit einem Vater und einer Tante aufzuwachsen. Ihre Mutter ist gestorben, als Marli noch klein war. Mehr weiß ich auch nicht, aber ich finde das so unvorstellbar, dass ich es mir lieber erst gar nicht vorzustellen versuche.
    Marli legte den Kopf auf meine Schulter und sagte leise: »Manchmal fühle ich mich ganz schön allein. Vor allem, weil es gerade auch mit meiner Tante ein bisschen komisch läuft.«
    Â»Warum?«
    Â»Ich weiß auch nicht. Irgendwie hat sie sich verändert. In New York, da war sie viel cooler drauf, da durfte ich eigentlich tun und lassen, was ich wollte. Aber seitdem wir hier sind, keine Ahnung. Ständig will sie wissen, wo ich war und wen ich kennengelernt habe und wie es in der Schule war und so Sachen.«
    Ich hatte einen Kloß im Hals, legte einen Arm um ihre Schulter und zog sie fest an mich. Denn auch wenn mein eigener Vater sich vor vielen Jahren aus dem Staub gemacht hat, bin ich noch keine Sekunde in meinem Leben einsam gewesen, im Gegenteil. Es kann ganz schön anstrengend sein, wenn so viele Leute in einem Haus zusammenleben wie bei uns. Da will ich manchmal nichts anderes als meine Ruhe.
    Aber tauschen würde ich mit niemandem, das ist klar.
    Und was meinen Vater betrifft: Meine Mutter sagte früher immer, er soll bleiben, wo der Pfeffer wächst, und das wäre dann an der Malabarküste in Indien. Dort wächst der Pfeffer. Muss ein ganz schön scheußlicher Ort sein, denn meine Mutter ist nicht gerade gut auf meinen Vater zu sprechen.
    Ich drückte meine Nase in Marlis kurzes blondes Haar. »Du hast recht«, sagte ich leise. »Das mit uns drei ist einfach ... magisch. Als ob es dabei irgendwie um mehr geht als nur um Freundschaft. Ich denke, es ist Schicksal, dass wir uns getroffen haben. Es musste einfach so sein.«
    Â»Du glaubst an Schicksal?«, fragte Marli und da war er wieder, der typische ungläubige Tonfall in ihrer Stimme.
    Ich nickte heftig. »Na klar. Ich meine, schau dir doch nur mal an, was in den letzten Wochen passiert ist. Das kann doch alles kein Zufall sein.« Und noch bevor ich den Satz beendet hatte, lief es mir kalt über den Rücken.
    Wenn mir jemand vor ein paar Wochen noch erzählt hätte, dass ich in der Lage sein würde, in die Vergangenheit zu sehen, hätte ich ihn gefragt, ob er noch alle Tassen im Schrank hat. Und nun ist es so gekommen. Wir haben diese magischen Kräfte und es ist ja so: Hat man keine magischen Kräfte, dann wünscht man sich, welche zu besitzen. Aber geht der Wunsch in Erfüllung, tauchen Probleme auf, die man sich vorher nicht mal hätte ausdenken können. Ich meine, ich weiß ja nicht mal, ob wir uns nicht zum Beispiel irgendwann einfach in Luft auflösen werden.
    Oder die Zeit plötzlich für immer stehen bleibt.
    Marli und ich lagen noch eine Weile schweigend aneinandergeschmiegt da, während sich unter uns der Luna-Tomputer-Liebesfilm in die Länge zog. Dann plötzlich begann die Hütte zu wackeln, als würde jemand daran zerren. Vielleicht war es auch ein Erdbeben oder ein fauchender Tornado. Erschrocken sah ich in Marlis weit aufgerissene Augen.
    Es rumpelte, ein lautes Keuchen erklang und da tauchte Lunas Gesicht über dem Dach auf, dann ihre Ellbogen, sie stützte sich ab und wuchtete sich hoch. Nicht gerade elegant, aber auch nicht Marathon-Hängebauchschweinmäßig. Und immerhin hatte sie nun schon den zweiten Wallrun ihres
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