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Plattenbaugefühle: Jugendroman

Plattenbaugefühle: Jugendroman

Titel: Plattenbaugefühle: Jugendroman
Autoren: Jannis Plastargias
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Findest du sein Verhalten okay?«
    Wieso ist Fabian so?
    »Er ist noch ein Kind!«
    »Ach ja? Und du seine Mutter?«
    »Was soll ich machen?«
    »Du hast schon viel zu viel gemacht! Wach auf, Jonas!«
    Ich verliere den Boden unter meinen Füßen, »ich muss ihn einfach finden« seufze ich, »wenn er noch hier ist … du hast recht«, ich fühle seine Sorge um mich.
    Fabian erzählt, wie sich Afyon verhalten hat und wie undankbar er gegenüber meiner Großmutter gewesen sei, die alles versucht habe, damit er sich wohlfühlt bei ihr, »und mit mir hat er keinen einzigen Satz sprechen wollen!« fügt er genervt dazu.
    »Er ist ebenso.« Ich ertappe mich dabei, dass ich Afyon immer noch verteidige.
    »Aber du bist nicht so!«
    »Wie bin ich denn, Fabi?«
    »Anders, einfach anders«, sein Blick spiegelt in mir die Wahrheit wieder. »Komm, lass uns weitermachen«, sagt er und zieht mich mit sich.
    Ich mache mich auf die Suche und bin mir nicht mehr ganz sicher, wonach. Fabian führt uns durch Schöneberg. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass ich mich in einem Schmelztiegel der verschiedenen Kulturen und Ethnien befinde. Es gibt viele Türken, in der Tat, so wie in Kranichstein. Aber es gibt auch sehr viele Schwule! Sogar Herbergen und Hotels für Homosexuelle, genauso Kneipen, Cafés, Restaurants. Ich nehme plötzlich alles wahr. Kranichstein zeigt mir jetzt, dass ich jahrelang ›blind und taub‹ hier gelebt habe! Ich habe in Schöneberg nur die Deutschen gesehen, uns, die wir auf das Gymnasium gegangen sind. Habe nicht einmal die Schwulen wahrgenommen, obwohl sie die ganze Zeit vor unserer Haustür waren. Wieso habe ich das alles nicht gesehen?
    Ich telefoniere immer wieder mit Omama. Alle paar Minuten versuche ich Afyon zu erreichen. Nichts! Die Nerven liegen blank. Die Füße weigern sich weiterzulaufen. Schöneberg ist groß. Oder bin ich einfach zu klein?
    »Er ist wieder da«, sagt plötzlich Omama am Telefon.
    »Weiß er, dass ich ihn suche?«
    »Ja, komm jetzt nach Hause.«

    »Wo warst du denn?« schreie ich ihn fast schon an, als ich ihn auf meinem Bett erblicke.
    »Mit einem Freund chillen«, sagt er seelenruhig.
    »Mit einem Freund? Was für einen Freund?«
    Er schweigt mich an und hat etwas sehr Trotziges an sich dabei. Wie ein kleines verwöhntes Kind!
    »Und warum schaltest du dein Mobiltelefon aus?«
    »Akku war leer … was willst du denn?« schreit er mich an.
    Was ich will? Hat er sie noch alle? Habe ich das Vertrauen in ihn verloren? Irgendetwas ist faul hier! Das kann ich riechen. Fabian schaut mich genauso an, wie ich mich fühle: wütend und genervt. Er verabschiedet sich, damit ich alleine mit Afyon sein kann.
    Mein altes Zimmer sieht immer noch genauso aus wie damals, außer dass überall Klamotten herumliegen. Afyons Klamotten. Das stößt mich plötzlich ab. Es macht mich aggressiv. Er liegt gelangweilt da, ich spüre keine Freude in mir, er spürt keine Freude für mich.
    »Wo warst du denn über Nacht?«
    Er schweigt.
    »Afyon! … weißt du, was ich alles durchgemacht habe?«
    Er schweigt.
    »Afyon! … Sprich mit mir.«
    Er schaut mich wehmütig an.
    »Habe einen Freund getroffen.«
    »Ich habe dich seit gestern versucht zu erreichen … was für ein Freund?«
    Er ist frustiert von meinem Gerede.
    »Ich weiß nicht, was du von mir willst, Alda, ich hab alles gemacht, und dann machst du mich trotzdem noch voll an!« brüllt er mich an.
    »Afyon, es tut mir leid, aber findest du es nicht selbst merkwürdig, dass …«
    »Ich hab doch alles mitgemacht!« unterbricht er mich und steht endlich auf, »ich bin hier!« er kommt auf mich zu, »für dich!« fügt er mit sanfter Stimme hinzu.
    Wir liegen uns in den Armen. Er weint. Ich weine. »Es tut mir leid«, flüstere ich und habe ein schlechtes Gewissen. Die Anspannung in mir löst sich. Seine Hände beruhigen mich, seine Lippen suchen mich. Er hat mir gefehlt, seine Berührungen, der Kick. Der Kick, wenn man überall gestreichelt wird, wenn man Lust verspürt, wenn man nur noch dieses angenehme Gefühl hat, mit dem anderen zu verschmelzen.
    Er schaltet das Licht aus. Ich bin glücklich und befriedigt in der Dunkelheit unserer ersten gemeinsamen Nacht. Das Bett ist klein, der Platz eng. Umso schöner ist es, ihm nahe zu sein.

    Ich weiß zunächst nicht, wo ich bin. Diese Verwirrung steigert sich, als ich feststelle, dass ich im Bett viel Platz habe. Ich stehe auf und wundere mich, dass keine Klamotten mehr herumliegen. Wo ist er? War Afyon schon
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