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Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad
Autoren: John Freely
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natürlichen Welt sind. Doch er wies auch darauf hin, dass wir die durch unsere Sinne gewonnenen Informationen sorgfältig abwägen müssen, um wahres Wissen zu erlangen. »Komm vielmehr und betrachte mit aller Kraft, bis wohin ein jegliches klar ist; halte nicht etwa einen Blick für vertrauenswürdiger,als es nach dem Gehör angebracht ist, stelle auch nicht das geräuschvolle Ohr über die Klarstellungen der Zunge und entziehe das Vertrauen auch keinem der anderen Glieder (Organe), soweit es dort einen Durchgang zum Verständnis gibt; sondern verstehe ein jegliches, insoweit es klar ist!«
    Laut Aristoteles war Empedokles der erste Denker, der von vier grundlegenden Elementen sprach – Erde, Luft, Feuer und Wasser –, die er als die »Wurzeln von allem« bezeichnete. Über diese vier Elemente schrieb er: »Aus ihnen entsprießt alles, was war, und alles, was ist und in Zukunft sein wird, Bäume, Männer und Frauen, Tiere, Vögel und sich vom Wasser ernährende Fische, ferner auch Götter, langlebige, im höchsten Rang der Ehre stehend.« Nach seiner Vorstellung mischen sich die vier Stoffe und entmischen sich unter dem Einfluss der beiden Kräfte, die er Liebe und Hass nennt. Dazu meint er: »Und diese Dinge hören ihren fortwährenden Wechsel niemals auf: bald kommen alle in Liebe zusammen zu Einem, bald stieben im Groll des Streits alle wieder einzeln auseinander.«
    Damit führte Empedokles den Begriff Kraft, im Unterschied zur Materie, als Ursache für die Naturerscheinungen ein. Für ihn existiert der Kosmos in einem Zustand des dynamischen Gleichgewichts zwischen den gegensätzlichen Kräften, und Bewegung findet statt, wenn eine der beiden dominiert. Seine Zuweisung von Erde, Wasser und Luft als Elementen entspricht der modernen Einteilung in den festen, flüssigen und gasförmigen Aggregatzustand. Als Feuer bezeichnet er nicht einfach nur Flammen, sondern auch am Himmel auftretende Erscheinungen wie Blitze oder Kometen. Empedokles’ Theorie der vier Elemente gehörte zu den langlebigsten in der Wissenschaftsgeschichte und hatte über 2000 Jahre Bestand. Ihre Spuren hinterließ sie nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Literatur, wie sich in den folgenden Zeilen aus der
Feenkönigin
zeigt. Edmund Spenser schreibt davon, dass die vier Elemente »der Grundstock sind / Der ganzen Welt und aller Lebewesen«. Es sind Elemente:
    Die tausenderlei
Wandel
wir ausgesetzt sehn:
    Doch wandeln sie sich (durch andre wundersame Tricks)
    In sich selbst, verliern ihre ureignen Kräfte;
    Feuer in Luft, und die Luft in klares Wasser,
    Und Wasser in Erde; Wasser jedoch streitet
    Mit Feuer, Luft mit der Erde, die näher rückt:
    Alle sind sie in einem Körper, wirken wie eins.
    Empedokles entwickelte noch andere, völlig neuartige Theorien. So vertrat er die Auffassung, das Licht bewege sich mit großer, aber endlicher Geschwindigkeit durch den Raum. Er bewies auch als Erster, dass Luft, wenn auch unsichtbar, eine echte physikalische Substanz ist. Dies veranschaulichte er, indem er ein Gefäß namens Klepsydra, eine Wasseruhr, umgedreht in Wasser hielt und auf diese Weise zeigte, dass erst dann Flüssigkeit eindrang, als die Luft in gleichem Maße aus dem Gefäß entweichen konnte.
    Um einige Äußerungen des Empedokles bildeten sich Legenden, zum Beispiel, dass er ein göttlicher Heiler und Wundertäter sei. »Was mich angeht, als ein unsterblicher Gott reise ich umher«, heißt es in einem der erhaltenen Fragmente, »nicht mehr sterblich, bei allen, wie es sich gehört, geehrt, mit Binden und frischen Kränzen umflochten.« Er beschreibt weiterhin, wie sich seine Anhänger um ihn scharen, »und fragen, wo sich der Weg zum Gewinn auftue; die einen verlangen von mir Weissagungen, die anderen erwarten, bei Krankheiten aller Art das heilende Wort zu hören …«. Zu den Geschichten, die sich um Empedokles ranken, gehört die, wie er die Welt verließ, indem er in den Krater des Vulkans Ätna sprang und nur seine Sandalen zurückließ, während er anderen Legenden zufolge das Ende seiner Tage im peloponnesischen Exil verbrachte.
    Eine Theorie der Materie, die sich völlig von denen des Empedokles und des Parmenides unterscheidet, stammt von Leukipp. Er wurde vermutlich im 6. Jahrhundert v. Chr. in Milet geboren und zog nach Abdera in Thrakien, das um 500 v. Chr. von Flüchtlingenaus der ionischen Stadt Teos gegründet worden war. Sein verlorenes Werk
Die große Weltordnung
begründete offenbar den Atomismus, der im
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