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Plaetzchen unter dem Mistelzweig

Plaetzchen unter dem Mistelzweig

Titel: Plaetzchen unter dem Mistelzweig
Autoren: Abby Clements
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Arme. Laurie erwiderte die Umarmung.
    »Ich wusste gar nicht, dass du da bist«, stellte Laurie fest.
    »Ich hatte gestern Abend Nachtschicht«, erklärte Andrea und deutete auf ihren Krankenschwesterkittel, der im Wäschekorb lag.
    Andrea war mehr Schwester als Cousine für Laurie. Sie waren zusammen aufgewachsen und inzwischen Mitte dreißig, und beide hatten sowohl das dunkle Haar als auch die olivbraune Haut ihrer Mütter geerbt. Doch da hörten die Ähnlichkeiten dann auch schon auf. Alles an Andrea war natürlich, von ihren weiblichen Rundungen bis zu den Make-up-freien dunklen Augen.
    »Komm her und setz dich doch«, lud Andrea sie ein und räumte Laurie einen Platz auf dem Sofa frei – denn hier stapelten sich so viele plüschige Kissen, dass das Möbelstück mit dem Blümchenmuster darunter kaum zu sehen war.
    »Was ist los ? Was treibt dich um …«, sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, »halb elf in der Frühe her ? Und ich dachte immer, ich sei hier diejenige mit den komischen Arbeitszeiten.«
    Laurie lehnte sich auf dem weichen Sofa zurück und ließ die Ereignisse dieses Morgens noch einmal Revue passieren. »Ich habe bei der Arbeit richtig Mist gebaut.«
    »Aber ich dachte, da läuft es gerade so richtig gut ?«
    »Das dachte ich auch«, erwiderte Laurie und biss sich auf die Lippe. »Aber offensichtlich habe ich da falsch gedacht.« Ihre Scham war immer noch groß. Vier Jahre lang war Laurie schon bei Seamless und hatte seitdem beständig an ihrem Ruf gearbeitet. Und jetzt drohte alles, was sie sich aufgebaut hatte, wegen ein paar dummer Fehler in sich zusammenzufallen.
    »Was ist denn passiert ?«, erkundigte sich Andrea mit besorgtem Blick.
    »Ich habe es vermasselt, aber so richtig«, antwortete Laurie. Als Andrea ihr tröstend den Arm um die Schultern legte, kamen ihr die Tränen, gegen die sie so lange angekämpft hatte, und Laurie schluchzte los.
    »Alles wird gut«, versuchte Andrea sie aufzumuntern. »Alles wird gut.« In den Armen ihrer Cousine weinte Laurie, bis ihr Hals ganz rau war. Schließlich lehnte sie sich wieder zurück.
    »Möchtest du darüber reden ?«, fragte Andrea.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Laurie. »Noch nicht. Es war wirklich schrecklich.«
    Andrea nickte. »Na klar. Wie du willst, aber immerhin bist du jetzt bei deiner Familie. Warum bleibst du nicht einfach über Nacht ?«
    »Vielen Dank.« Laurie richtete sich auf und wischte sich die Tränen weg. »Vielleicht nehme ich das Angebot dieses eine Mal an.« Sie zwang sich zu einem Lächeln und versuchte, die Stimmung wieder ein wenig aufzulockern. »Und was ist mit dir ? Wie geht es dir ?«
    »Ha – ich wette, dass es dir gleich schon viel besser geht«, erwiderte Andrea lachend. »Ich bin wieder zu Hause eingezogen, um für die Kaution für eine Mietwohnung zu sparen. Deswegen heißt es hier rund um die Uhr immer nur: Mum.« Sie nickte in Richtung der Küche, wo Clara einen Tee kochte, und tat völlig entkräftet. »Kannst du dir das vorstellen ? Dad hat sich rausgeschlichen, um mit dem Hund zu gehen – heute schon zum zweiten Mal –, und man kann es ihm wirklich nicht verdenken.«
    Laurie grinste und schaute sich dann im Raum um. Fotos säumten die Regale und den Kaminsims – dabei entdeckte sie sogar eines, auf dem Andrea und Laurie im Kindesalter zusammen wie Popstars posierten. Hier war alles so anders als in ihrer eleganten, minimalistischen Wohnung.
    Clara kehrte mit Tee und Gebäck ins Wohnzimmer zurück. »Ich habe noch am Wochenende mit deiner Mutter gesprochen«, verkündete sie.
    »Ach ja ?«, entgegnete Laurie. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie sich schon mehrere Wochen lang nicht mehr bei ihrer Mutter gemeldet hatte. »Wie geht es ihr ?«
    »Ach, Laurie – diese Männer, die sie sich immer aussucht«, erwiderte Clara verzweifelt. »Dein Vater war ja mit seinem Abgang, den er hingelegt hat, schon schlimm genug. Wenn man bedenkt, was dieser Mann deiner Mutter angetan hat, dann ist es wirklich ein Wunder, dass sie überhaupt noch am Leben ist – aber jetzt wird es immer noch schlimmer, Süße.«
    »Jetzt übertreib mal nicht, Mum !«, ermahnte Andrea sie und nahm sich einen Keks vom Teller, bevor sie zu Laurie hinübersah. »Ihr schien es ganz gut zu gehen, als ich mit ihr gesprochen habe.«
    »Gut ?«, schnaubte Clara. »Offensichtlich hat sie dir nicht die ganze Geschichte erzählt, Andrea. Glaub mir, von ›gut‹ ist sie meilenweit entfernt. Javier und sie haben sich getrennt, und sie ist
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