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Piratin der Freiheit

Piratin der Freiheit

Titel: Piratin der Freiheit
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa , Freiheit_1_.doc
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das möglich?«
    »Frag das den Weisen des Feuers!« lautete die barsche Antwort. »Vielleicht wissen es sein Götzen.«
    Ohne einen Fuß auf die Erde zu setzen, sprang er auf ein frisches Pferd, dem er wie wild die Sporen gab, während er ausrief:
    »Wir brechen auf!«
    Die fünfzig Reiter folgten ihm, und einige Minuten
    später waren sie nur noch ein bunter Fleck, der sich in der Ferne, Richtung Norden, verlor.
    Als hätte dieser Befehl nicht nur den Fulbe gegolten, sondern allen, den Wachen, Dienern und Kanonieren,
    beeilten sie sich, ihre Posten zu verlassen, überstürzt flußaufwärts zu fliehen und sich so weit wie möglich von den weißen Dämonen zu entfernen, die in der Lage gewesen waren, auf einen Schlag über tausend gut bewaffneter Krieger auszulöschen.
    Jean-Claude Barriere machte keinerlei Anstalten, sie zurückzuhalten.
    Er wußte sehr gut, daß alles vorbei war.
    Und das hatte er schon gewußt, bevor der Reiter am
    Horizont aufgetaucht war, sogar lange bevor seine
    Truppen aufgebrochen waren, um dem Feind entgegen-
    zutreten; denn von dem Augenblick an, als er den Palast von Sakhau Ndu verlassen hatte, war ihm völlig klar gewesen, daß seine Zeit vorbei war und seine Augen das Lächeln des neuen Monds nicht mehr sehen
    würden.
    Er verließ den Innenhof, um auf seinem großen Thron aus Gold und Elfenbein Platz zu nehmen. Dort oben
    hatte er früher gern die Huldigungen der Kleinkönige entgegengenommen.
    Er war allein.
    So allein, wie es sein Vater in der dunklen Zisterne gewesen sein mußte, während er den Tod erwartete, wie ihn alle erwarteten, die in diesem Leben nur Geld und Macht gescheffelt hatten.
    Sein Königreich, das er auf dem Fundament von vie-
    len tausend Toten errichtet hatte, war in einem einzigen Augenblick zusammengebrochen, die Menschen haßten
    ihn, die Götter verachteten ihn, und er besaß nicht einmal so viel Mut, um sich eine Waffe zu holen und sich eine Kugel in den Kopf zu schießen.
    Er schloß die Augen und versuchte, sich mit der Erinnerung an die magischen Augenblicke seiner ruhmvol-
    len Jahre zu trösten.
    Viele waren es nicht gewesen, dafür aber sehr intensive.
    Man hatte ihm Reichtümer, Frauen und Macht im
    Übermaß zugestanden, und das war etwas, wovon ein
    elender Mulatte nicht einmal zu träumen gewagt hätte, der Sohn einer Sklavin, der anfänglich dazu verdammt schien, den größten Teil seines Lebens in Ketten zu verbringen.
    Es hatte sich gelohnt.
    Lüge, Raub, Mord, Verrat, Sklaverei, Folter und Ver-gewaltigung: Alles hatte sich gelohnt, wenn man damit das erreichte, was er erreicht hatte. Nur die alten Götter seiner Rasse hätte er nicht verleugnen dürfen. Denn was man den Menschen antut, ist in dem Augenblick
    vergessen, wenn diese Menschen sterben, aber die Götter sterben niemals, und ihre Rache währt tausend Jahre.
    Und jetzt hatten diese Götter sein Heer ausgelöscht.
    »Elegba, Elegba…!« rief er innerlich aus. »Warum
    hast du mich angespuckt?«
    Ein Geräusch alarmierte ihn, er schlug die Augen auf und sah in die strengen Augen von dreißig Frauen.
    »Was sucht ihr?« fragte er müde.
    »Rache.«
    Er lächelte verächtlich.
    »Ich bin zu wenig, um euch alle zufriedenzustellen«, murmelte er, als wolle er sich über sich selbst lustig machen. »Ich habe nur ein Leben. Wer will es mir
    nehmen?«
    »Wir wollen dein Leben nicht«, erwiderte die stolze Frau, die sie anzuführen schien. »Dein Leben ist nichts wert. Wir wollen deinen Geruch.«
    »Meinen Geruch?« fragte er verwundert, obwohl ihn
    unter diesen Umständen eigentlich nichts mehr über-
    raschen konnte. »Was ist so besonders an meinem Ge-
    ruch?«
    »Daß er der Geruch von verbranntem Fleisch ist«, lautete die seltsame Antwort. »Der Geruch, der mich jedesmal heimsuchte, wenn deine Männer meine Söhne
    markierten.« Yadiyadiara zeigte ihm das rotglühende Eisen, das sie hinter ihrem Rücken versteckt hatte. »Er-kennst du es wieder?« fragte sie. »Erinnerst du dich daran, wie viele tausend Male du es gegen wehrlose
    verschreckte Kinder eingesetzt hast?«
    In diesem Augenblick verstand Jean-Claude Barriere, was ihm der Schamane über seinen schrecklichen Tod
    hatte sagen wollen, aber selbst jetzt hatte er nicht die Kraft, seinem Schicksal einen Streich zu spielen. Er ließ zu, daß ihm vier Frauen die Arme festhielten, während die rachsüchtige Yadiyadiara ihn mit seinem eigenen Eisen auf der Brust markierte.
    Er biß die Zähne zusammen und sog, näher als jemals zuvor, den
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