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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut
Autoren: Astrid Geisler
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wie ihn. Ja, vielleicht ginge es mir anders, wenn es mehr Jan-Hemme-Typen in dieser Partei gäbe. Oh, gerade hat er getwittert: »Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich jetzt auf meine Familie freue.« Doch, kann ich.
    Und nichts ist mir in diesem Moment ferner als die Vorstellung, demnächst aufs Neue einen riesigen Aufwand zu betreiben, um im Mai 2013 beim nächsten Bundesparteitag im bayerischen Neumarkt vielleicht doch ein paar Versatzstücke zum Wahlprogramm beizusteuern. Die Chance, dann mit unserem Familiengedöns auf die Agenda zu kommen, halte ich nach diesem Wochenende für überschaubar. Rein rechnerisch könnten bei unserem Ranglistenplatz 431 noch fünfzehn Parteitage vergehen, bis unser Projekt drankäme. Bei zwei solcher Großveranstaltungen im Jahr wäre das in etwa sieben Jahren.
    Mit Sicherheit werde ich mich 2019 längst rührselig an dieses unvergesslich schrille Novemberwochenende im Ruhrpott erinnern. Und, wer weiß, womöglich ist mir in sieben Jahren sogar wieder nach einem kleinen politischen Abenteuer – falls die Piraten dann nicht selbst längst nur noch nostalgisch zurückblicken auf ihre wilden Jahre.

Nachwort
    Liebe Piratinnen und Piraten,
    lustig war’s mit euch! Nie hätte ich vermutet, wie unterhaltsam es sein kann, sich aktiv in einer Partei einzubringen. Selten habe ich in so kurzer Zeit so viele kluge, interessante und eigenwillige Menschen getroffen wie unter Piraten. Ihr habt mir bewiesen, dass es die viel zitierte Schwarmintelligenz in eurer Partei wirklich gibt. Es war eine tolle Erfahrung, mit politischen Zufallsbekanntschaften aus dem Netz ein gemeinsames politisches Projekt zu entwickeln. Und wenn mir die Piraten zwischenzeitlich mal wieder peinlich oder unmöglich vorkamen, gab es doch immer einen Grund, alles nicht ganz so schlimm zu finden: die Crew Prometheus, in der ich mich vom ersten Tag an aufgehoben fühlte.
    Diese Crew hat mir gezeigt, dass Politik in der nächsten Nachbarschaft nicht kleinkariert sein muss. Ich behaupte sogar: Ideenreiche, umtriebige Piraten können der Lokalpolitik eine unvermutete Coolness verpassen. Und die kann sie ja wirklich gebrauchen!
    Trotzdem brauche ich als Piratin erst mal eine Pause. Die Crew ist eben leider nicht die Partei.
    Ich fürchte, ich bin einigen PR- Märchen aufgesessen. Klar, ein paar Zweifel hatten mich von Anfang an begleitet. Die Behauptung zum Beispiel, unter Piraten könnten Neulinge sofort auf Augenhöhe mitmachen, war mir vom ersten Tag an suspekt. Anderes hingegen klang einfach zu gut: Hattet ihr euch nicht als »Befreiungsschlag einer Generation« bezeichnet? Wolltet ihr der Politik nicht ein neues, besseres Betriebssystem verpassen? Das System updaten? Und hattet ihr nicht versprochen, »die Anpassung der gelebten Demokratie in der Bundesrepublik an die neuen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts zu begleiten und zu gestalten«?
    Keine schlechten Ideen! Und so bin ich Piratin geworden mit der Hoffnung, in eurer Partei mehr politischen Erfindergeist zu treffen als bei SPD und CDU zusammen. Ich hatte euch zugetraut, unsere Demokratie erstmals internetfähig zu machen, das Parteileben aus den Kneipen, Sportlerheimen und Kongresszentren heraus ins Netz zu holen und seines unflexiblen Offline-Zeittakts zu entheben. Eure Idee der Liquid Democracy kam mir wichtig vor angesichts der erstarrten, parteipolitischen Machtstrukturen in unserem Land.
    Erlebt habe ich stattdessen eine überforderte, verunsicherte und blockierte Piratenpartei. Ganz ehrlich, Leute: Die »Anpassung der gelebten Demokratie« an die »Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts« findet bisher doch nicht mal in eurer eigenen Organisation statt. Genau genommen seid ihr nicht einmal diese viel beschworene »Internetpartei« – wenn man mal davon absieht, dass ihr fast alle permanent im Netz unterwegs seid. Aber Twitter, Mumble, Mailinglisten und virtuelle Piratenpads machen noch keine Onlinedemokratie.
    Klar, in allen Parteien klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Aber wenn ich euch richtig verstanden habe, wolltet ihr doch – mit gutem Grund – Politik ohne die schönrednerische Verlogenheit der Konkurrenz hinbekommen, oder?
    Ich weiß, ihr seid seit Monaten in vielerlei Hinsicht am Limit unterwegs. Das ist überhaupt nicht verwunderlich. Schließlich ist eure Partei binnen kurzer Zeit zur Massenorganisation gewachsen – und niemand konnte darauf vorbereitet sein. Aber hey, so langsam müsst ihr schon mal darauf reagieren. Ich
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