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Pippi Langstrumpf

Pippi Langstrumpf

Titel: Pippi Langstrumpf
Autoren: Astrid Lindgren
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flüsterte Pippi.
    Sie schluckten ihre Pillen hinunter.
    „Liebe kleine Krummelus,
    niemals will ich werden gruß“,
    sagten alle drei zu gleicher Zeit.
    Nun war es geschehen. Pippi zündete die Deckenlampe an.
    „Herrlich“, sagte sie. „Jetzt braucht man nicht groß zu werden und Hühneraugen zu kriegen und andere unangenehme Sachen. Allerdings, die Pillen haben so lange im Schrank gelegen, daß es nicht todsicher ist, ob die Kraft nicht schon herausgegangen ist. Aber wir wollen jedenfalls das Beste hoffen.“
    Annika war etwas eingefallen.
    „O Pippi“, sagte sie, „du wolltest ja Seeräuber werden, wenn 275

    du groß bist!“
    „Ach, das kann ich trotzdem werden“, sagte Pippi. „Ich kann ein kleiner, kleiner böser Seeräuber werden, der Angst und Schrecken um sich verbreitet.“ Sie überlegte eine Weile.
    „Denkt bloß“, sagte sie, „denkt bloß, wenn eine Tante hier mal nach vielen, vielen Jahren vorbeikommt und sieht uns im Garten umherlaufen und spielen. Dann fragt sie dich vielleicht, Thomas: ,Wie alt bist du, mein kleiner Freund?‘ Und dann sagst du: ,53 Jahre, wenn ich mich recht erinnere.‘“
    Thomas lachte zufrieden.
    „Da findet sie sicher, daß ich mächtig klein bin“, sagte er.
    „Ja, natürlich“, meinte Pippi. „Aber dann kannst du ja sagen, daß du größer warst, als du kleiner warst.“
    Jetzt fiel es Thomas und Annika ein, daß ihre Mutter gesagt hatte, sie sollten nicht zu lange bleiben.
    „Wir müssen jetzt nach Hause gehen“, sagte Thomas.
    „Aber wir kommen morgen wieder“, sagte Annika.
    „Fein“, sagte Pippi. „Um acht Uhr fangen wir mit dem Schneehaus an.“
    Sie begleitete sie bis zur Gartentür, und ihre roten Zöpfe tanzten um sie herum, als sie flink zurück zur Villa Kunterbunt lief.

    „Denk bloß“, sagte Thomas eine Weile später, als er dabei war, sich die Zähne zu putzen, „denk bloß, wenn ich nicht wüßte, daß es Krummeluspillen waren, könnte ich darauf schwören, daß es gewöhnliche Erbsen waren.“
    Annika stand in ihrem rosa Pyjama am Fenster und schaute zur Villa Kunterbunt hinüber.
    „Schau mal, ich sehe Pippi“, rief sie freudig.
    Thomas lief zum Fenster hin. Ja, wahrhaftig! Jetzt, wo die Bäume keine Blätter hatten, konnte man bis in Pippis Küche hineinsehen.
    Pippi saß am Tisch, den Kopf auf die Hände gestützt. Mit 276

    einem träumerischen Ausdruck starrte sie auf ein kleines flackerndes Licht, das vor ihr stand.
    „Sie – sie sieht auf irgendeine Weise so einsam aus“, sagte Annika, und ihre Stimme zitterte etwas. „O Thomas, wenn es doch schon morgen wäre, daß wir gleich zu ihr gehen könnten!“
    Sie standen stumm da und schauten in den Winterabend hinaus. Die Sterne leuchteten über dem Dach der Villa Kunterbunt.
    Dort war Pippi. Sie würde immer da sein. Es war wunderbar, daran zu denken. Die Jahre würden vergehen, aber Pippi und Thomas und Annika würden nicht groß werden. Natürlich, wenn die Kraft aus den Krummeluspillen nicht herausgegangen war! Neue Frühlinge würden kommen und neue Sommer; Herbst und Winter würde es werden, aber ihr Spiel würde niemals aufhören. Morgen würden sie ein Schneehaus bauen und einen Skihügel vom Dach der Villa Kunterbunt herab machen. Wenn es Frühling wurde, würden sie in die hohle Eiche klettern, wo Limonade wuchs, sie würden Sachensucher spielen und auf Pippis Pferd reiten, sie würden im Holzkasten sitzen und Geschichten erzählen, manchmal würden sie vielleicht auch nach der Taka-Tuka-Insel reisen und Momo und Moana und die anderen alle besuchen, aber sie würden immer wieder zur Villa Kunterbunt zurückkehren.
    Ja, das war ein wunderbar tröstlicher Gedanke – Pippi würde für immer in der Villa Kunterbunt bleiben.
    „Wenn sie hierher schauen würde, dann könnten wir ihr zuwinken“, sagte Thomas.
    Aber Pippi starrte nur träumerisch vor sich hin.
    Dann löschte sie das Licht aus.

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