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Pippi Langstrumpf

Pippi Langstrumpf

Titel: Pippi Langstrumpf
Autoren: Astrid Lindgren
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zwei.“
    „Das wird fein morgen!“ sagte Thomas. „Was für ein Glück, daß wir in den Weihnachtsferien nach Hause gekommen sind!“
    „Wir wollen es immer fein haben“, sagte Annika. „Hier in der Villa Kunterbunt und auf der Taka-Tuka-Insel und überall.“
    Pippi nickte zustimmend. Sie waren alle drei auf den Küchentisch geklettert. Plötzlich flog ein düsterer Schatten über Thomas’ Gesicht.
    „Ich will niemals groß werden“, sagte er bestimmt.
    „Ich auch nicht“, sagte Annika.
    „Nein, das ist etwas, um das man sich nicht reißen soll“, sagte Pippi. „Große Menschen haben niemals etwas Lustiges.
    Sie haben nur einen Haufen langweilige Arbeit und komische Kleider und Hühneraugen und Kumminalsteuern.“
    „Kommunalsteuern heißt es“, sagte Annika.
    „Ja, der gleiche Unsinn ist es in jedem Fall“, sagte Pippi.
    „Und dann sind sie voll von Aberglauben und Verrücktheiten.
    Sie glauben, es passiert ein großes Unglück, wenn sie beim Essen das Messer in den Mund stecken, und all solch dummes Zeug.“
    „Und spielen können sie auch nicht“, sagte Annika. „Ach, daß man gezwungen werden soll, groß zu werden!“
    „Wer hat gesagt, daß man es werden soll?“ fragte Pippi.
    „Wenn ich mich nicht irre, habe ich irgendwo ein paar Pillen.“
    „Was für Pillen?“ fragte Thomas.
    „Sehr gute Pillen für die, die nicht groß werden wollen“, sagte Pippi und sprang vom Küchentisch herunter. Sie suchte 273

    überall in Schränken und Schuhen, und nach einer Weile brachte sie etwas an, was genau aussah wie drei gelbe Erbsen.
    „Erbsen!“ sagte Thomas erstaunt.
    „Glaubst du, was?“ sagte Pippi. „Das sind keine Erbsen. Das sind Krummeluspillen. Ich bekam sie vor langer Zeit in Rio von einem alten Indianerhäuptling, als ich gerade mal sagte, daß mir nicht so viel daran läge, groß zu werden.“
    „Hilft es, wenn man nur diese kleinen Pillen nimmt?“ fragte Annika zweifelnd.
    „Natürlich“, versicherte Pippi. „Aber man muß sie im Dunkeln essen, und dann muß man dazu sagen:
    Liebe kleine Krummelus,
    niemals will ich werden gruß.“
    „Groß meinst du wohl“, sagte Thomas.
    „Wenn ich ,gruß‘ gesagt habe, dann meine ich ,gruß‘“, sagte Pippi. „Das ist nämlich gerade der Kniff, verstehst du. Die meisten sagen ,groß‘, und das ist das Schlimmste, was passieren kann. Denn dann fangt man erst richtig an zu wachsen. Einmal hat ein Junge solche Pillen gegessen. Er sagte
    ,groß‘ anstatt ,gruß‘. Und er fing an zu wachsen, daß einem angst und bange werden konnte. Viele Meter täglich. Das war traurig. Ganz bequem war es noch, solange er ungefähr wie eine Giraffe direkt von den Apfelbäumen weiden konnte. Aber bald ging das nicht mehr, er wurde zu lang. Wenn ein paar Tanten zu ihm zu Besuch kamen und sagen wollten: ,Oh, was bist du groß und stark geworden‘, mußten sie ins Megaphon hineinschreien, damit er sie hören konnte. Man sah nichts anderes von ihm als seine langen, dünnen Beine, die hoch oben zwischen den Wolken wie zwei Fahnenstangen verschwanden.
    Man hat niemals wieder etwas von ihm gehört. Doch, einmal, und das war, als er auf die Idee kam, an der Sonne zu lecken, so daß er eine Brandblase auf der Zunge bekam. Da stieß er einen solchen Schmerzensschrei aus, daß die Blumen unten auf der Erde verwelkten. Das war aber auch das letzte 274

    Lebenszeichen von ihm. Wenn auch, wie ich annehme, die Beine weiter da unten in Rio umherwandern und den Verkehr in Unordnung bringen.“
    „Ich wage nicht, die Pillen zu essen“, sagte Annika erschrocken. „Wenn ich es falsch sage!“
    „Du sagst es nicht falsch“, sagte Pippi tröstend. „Wenn ich annähme, daß du das tätest, dann würde ich dir keine Pille geben. Denn das würde schön langweilig sein, nur deine Beine zum Spielen zu haben. Thomas und ich und deine Beine – das wäre eine schöne Gesellschaft! Nein, danke!“
    „Äh, du sagst es nicht falsch, Annika“, sagte Thomas.
    Sie löschten alle Weihnachtsbaumkerzen. Es wurde ganz dunkel in der Küche, außer am Herd, wo das Feuer hinter den Ofentüren glühte. Sie setzten sich still im Kreis auf den Fußboden. Sie faßten einander an den Händen. Pippi gab Thomas und Annika jedem eine Krummeluspille. Vor Spannung lief ihnen ein Schauder über den Rücken. Zu denken, daß diese merkwürdige Pille im nächsten Augenblick im Magen liegen würde, und dann brauchten sie niemals, niemals groß zu werden. Das war wunderbar!
    „Jetzt“,
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