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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx
Autoren: Stanislaw Lem
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haben. Die Presse witterte Skandale und lauerte nur auf eine solche Gelegenheit. Der Pilotenverband und der Klub der Transporter stellten zwar keine Macht dar, aber vieles hing von ihnen ab – die Leute hatten doch Verstand. Also wunderte sich Pirx keineswegs, als er in der Pause erfuhr, daß van der Voyt mit ihm sprechen wollte. Der Freund mächtiger Politiker eröffnete das Gespräch mit der launigen Bemerkung, dies sei ein Gipfeltreffen zweier Planeten. Pirx hatte zuweilen Einfälle, über die er sich hinterher selbst wunderte. Während van der Voyt seine Zigarre rauchte und sich die Kehle mit Bier befeuchtete, bat er um ein paar belegte Brote aus dem Büfett. Er hörte also dem Generaldirektor essend im Funkraum zu. Nichts war besser geeignet, sie einander gleichzustellen.
    Van der Voyt wußte nichts mehr davon, daß sie kurz zuvor aneinandergeraten waren. So etwas war einfach nicht passiert. Er teilte seine Sorge um die Besatzungen von »Anabis« und »Ares«; er vertraute ihm seinen Ärger an. Die Verantwortungslosigkeit der Presse, ihr hysterischer Ton regten ihn auf. Er bat Pirx, eventuell ein kleines Memorial in Sachen künftiger Landungen auszuarbeiten: Was konnte man für die Erhöhung ihrer Sicherheit tun? Er gab sich so vertrauensvoll, daß Pirx um einen Moment Entschuldigung bat und den Kopf aus der Kabinentür steckte, um sich Heringssalat zu bestellen. Van der Voyt war wie ein liebender Vater zu ihm, bis Pirx plötzlich sagte:
    »Sie haben vorhin die Fachleute erwähnt, die die Arbeit der Simulatoren überwachen. Können Sie mir die Namen nennen?«
    Van der Voyt staunte mit acht Minuten Verspätung, aber das dauerte nur einen Augenblick.
    »Unsere ›Examinatoren‹?« Er lächelte breit. »Lauter Herren Kollegen, Kommandant. Mint, Stoernheim und Cornelius. Die alte Garde ... Für Syntronics haben wir die besten ausgewählt, die wir finden konnten. Sie kennen sie sicherlich.«
    Sie konnten sich nicht weiter unterhalten, denn die Beratungen wurden fortgesetzt. Pirx schrieb einen Zettel und reichte ihn Hoyster mit den Worten: Sehr dringend und sehr wichtig. Der Vorsitzende verlas also zuerst folgenden, für die Werftleitung bestimmten Text: 1. In welchem Schichtsystem arbeiten die Chefkontrolleure Cornelius, Stoernheim und Mint? 2. Inwieweit tragen die Kontrolleure die Verantwortung, falls sie Funktionsfehler oder andere Mängel in der Arbeit des überprüften Computers übersehen? 3. Wer hat beim Testen der Computer von »Ariel«, »Anabis« und »Ares« die Aufsicht geführt?
    Das rief Bewegung im Saal hervor: Pirx wagte sich ausgerechnet an Männer heran, die ihm näherstanden als irgendein anderer, an ehrenwerte, verdiente Veteranen der Weltraumfahrt! Durch den Mund des Generaldirektors bestätigte die Erde den Empfang der Fragen; die Antworten sollten in zehn bis zwanzig Minuten gegeben werden.
    Während er darauf wartete, überkamen ihn Gewissensbisse. Es war nicht gut, daß er diese Informationen auf so offiziellem Weg angefordert hatte. Damit konnte er sich nicht nur die Feindschaft der Kollegen zuziehen, sondern auch die eigenen Positionen im Endkampf schwächen, falls es zu einem Votum separatum kam. Konnte das Experiment, die Untersuchungen über die rein technischen Belange hinaus auf diese Männer auszudehnen, nicht so ausgelegt werden, als gäbe er dem Druck van der Voyts nach? Wenn er darin ein Interesse der Werft sah, würde der Generaldirektor ihn unverzüglich vernichten, er brauchte nur der Presse entsprechende Hinweise zu geben. Er würde ihr Pirx als ungeschickten Bundesgenossen zum Fraß vorwerfen ..., aber er hatte keine andere Chance gehabt als diesen blind abgefeuerten Schuß. Es war zuwenig Zeit, sich auf privaten Umwegen zu informieren. Freilich hegte er keinen bestimmten Verdacht. Wovon hatte er sich also leiten lassen? Von ziemlich trüben Ahnungen gewisser Gefahren, die weder nur von den Menschen noch nur von den Automaten ausgingen, sondern von ihrem Berührungspunkt – von dort, wo sie miteinander Kontakt hatten, denn die Art der Verständigung zwischen Menschen und Computern war so unvorstellbar mannigfaltig. Und dann war noch das, was er vor dem Regal mit den alten Büchern empfunden hatte und was er nicht in Worte zu kleiden vermochte. Die Antwort kam schnell: Jeder Kontrolleur betreute seine Computer vom Beginn der Tests bis zu ihrem Ende, und wenn er seine Unterschrift auf den Akt setzte, der »Reifezeugnis« genannt wurde, übernahm er die volle Verantwortung für
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