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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen
Autoren: E Landys
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auspacken und sich ihrem Koffer mit
Büchern widmen. Auch etwas Korrespondenz an zwei liebe
Freundinnen und Mrs Longbottom war eine gute Idee und Notwendigkeit.

    ******

    Leider
stellte sich in den folgenden Tagen und Wochen heraus, dass die
Begrüßung, die Charlotte auf Millford Hall erfahren hatte,
durchaus als richtungsweisend für ihren Aufenthalt dort gesehen
werden konnte. Tatsächlich war Lady Millford die wahre Herrin
des Hauses und ihrem Urteil hatte sich alles zu unterwerfen. Da sie
die Dienstboten mit großer Strenge führte, brachten ihr
diese ehrfurchtsvollen Respekt, aber keine Wärme entgegen. An
Sir Alistair jedoch hing das ganze Haus und alle seine Bewohner,
außer vielleicht Lady Millford selbst, mit nachsichtiger
Zuneigung. Alle schienen beunruhigt zu sein über die
Gebrechlichkeit des Hausherrn, die auch Charlotte immer mehr auffiel.
Ihr Onkel wirkte auf eine bedenkliche Weise krank und fragil. Seine
Haut wies einen ungesunden bläulichen Schimmer auf und des
Öfteren überfielen ihn Anfälle von Kurzatmigkeit ohne
einen direkten Anlass. Auch schien er dem Tagesgeschehen und seinen
eigentlichen Pflichten als Gutsherr wenig Beachtung zu schenken.
Diese Dinge überließ er sehr großzügig seiner
Gattin, obwohl Charlotte an der Selbstverständlichkeit, mit der
diese die Aufgaben übernahm, deutlich ablesen konnte, dass er es
zumindest in gewisser Weise schon immer so gehalten hatte. Sir
Alistair war ein herzlicher, nahezu leutseliger Mann, der ihr viel
Zuneigung, ja sogar eine gewisse Anhänglichkeit entgegenbrachte.
Doch Charlotte hatte den Eindruck, dass diese Zuneigung nicht nur in
ihrem eigenen Wesen begründet zu sein schien, sondern darüber
hinaus zielte und die schmerzlich vermisste, geliebte Schwester, eben
ihre Mutter meinte. Nicht nur einmal machte Sir Alistair seine Nichte
darauf aufmerksam, wie sehr sie äußerlich ihrer Mutter
glich und ließ dabei seinen Blick wohlwollend auf ihr
verweilen.
    Natürlich
war er auch begierig, über ihr Leben in Griechenland mehr zu
erfahren und forderte Charlotte immer wieder dazu auf, darüber
zu berichten. Dies waren jedoch die Augenblicke des Tages, die
Charlotte am meisten fürchtete. In der Regel war bei diesen
nachmittäglichen Unterredungen im Wohnraum der Millfords nämlich
Lady Millford zugegen, die ihren Gatten nahezu eifersüchtig zu
bewachen schien. Sie hatte Charlotte in einem weiteren Gespräch
deutlich mitgeteilt, dass sie auf keinen Fall eine Erwähnung der
Umtriebe (sie nannte es »Umtriebe«, und hatte ihrer
Stimme dabei ein Höchstmaß von Verachtung beigemischt)
ihrer zweifelhaften Herkunftsfamilie in ihrem Hause wünsche. Sir
Alistair sei aufgrund seiner schwachen Konstitution auch kaum in der
Lage einzuschätzen, was ihm förderlich sei, und daher sehe
sie sich gezwungen, in dieser Sache ein striktes Verbot
auszusprechen.
    Charlotte
bezweifelte zwar entschieden, dass ihre Berichte Sir Alistair
wirklich geschadet hätten. Ganz im Gegenteil! Sie hatte den
Eindruck, dass ihre sanfte, wenn auch deutliche Verweigerung, ihm die
gewünschten Auskünfte und Berichte zu geben, ihn betrübte
und mehr schadete als half. Jedoch konnte und wollte sie zu diesem
Zeitpunkt der klaren Anordnung ihrer Tante nicht zuwiderhandeln. Es
war ihr sehr daran gelegen, das Wohlwollen Lady Millfords doch noch
zu verdienen. Je mehr Zeit aber ins Land zog, umso mehr resignierte
sie hinsichtlich dieses Wunsches. Sie konnte es ihrer Tante einfach
nicht recht machen. Ob sie sprach oder schwieg, ob sie stand oder
saß, ja selbst ihre bloße Anwesenheit war dieser ein
Stein des Anstoßes und Auslöser permanenten Missfallens.
    Die
Unterweisungen ihrer Tante hinsichtlich ihrer Einführung in die
Gesellschaft wurden mehr und mehr zur Tortur für beide Seiten.
Lady Millford ging augenscheinlich davon aus, dass allein die
Tatsache ihrer nicht standesgemäßen Geburt eine völlige
charakterliche Missbildung bei ihrer Nichte hervorgerufen hatte, der
auch sechs Jahre beste Erziehung in einer der führenden Schulen
für höhere Töchter nichts hatte anhaben können
und somit die finanziellen Aufwendungen, die Sir Alistair
diesbezüglich erbracht hatte, vergeudetes Geld gewesen waren. So
war selbstverständlich ein beträchtlicher Teil der
Ausführungen Lady Millfords von missbilligenden Äußerungen
über die Herkunft ihrer Nichte und vor allem über die
Beschaffenheit – oder vielmehr: die Mangelhaftigkeit –
des Charakters ihrer Eltern geprägt. Besonders gegen
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