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Pfand der Leidenschaft

Titel: Pfand der Leidenschaft
Autoren: Lisa Kleypas
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nur an«, sagte er höhnisch, »weinst wegen deines Zigeuner-Liebhabers. Wie tief du gesunken bist!«
    Bevor sie etwas erwidern konnte, tauchte ein lautloser Blitz das Zimmer in ein blauweißes Licht. Die flackernde Flamme in der Laterne wurde von einem eisigen Windstoß gelöscht. Amelia blinzelte, rieb sich die Tränen aus den Augen und drehte sich verblüfft im Kreis, um die Quelle des Lichts zu finden. Irgendetwas leuchtete, ein Schimmer aus kalter, purer Energie. Mit ausgestreckten Armen taumelte Amelia auf Cam zu. Die Bienen stoben in einer Traube empor und flogen zurück zum Bienenstock, wobei das blaue Licht ihre Flügel wie bunte Regentropfen schillern ließ.
    Atemlos erreichte Amelia Cam, der sie in einer warmen, festen Umarmung auffing. »Bist du verletzt?«, fragte sie, während ihre Hände ihn fieberhaft absuchten.
    »Nein, ich bin nur ein- oder zweimal gestochen worden. Ich …« Er verstummte und sog scharf die Luft ein.
    Amelia, die sich in seinen Armen wand, folgte seinem Blick. Zwei schemenhafte Gestalten, verzerrt vom lodernden Licht, kämpften um die Waffe. Wer war die zweite Person? Wer konnte unbemerkt ins Zimmer gekommen sein? Im nächsten Moment drückte Cam Amelia bereits sanft zu Boden. »Bleib
unten!« Beherzt stürzte er sich auf die beiden Gestalten.
    Aber der Kampf war längst entschieden. Einer der Männer purzelte mit der Pistole in Händen auf die Holzdielen, der zweite rannte hastig zur Tür. Cam eilte zu dem Mann mit der Waffe, während die Luft knisterte, als brannten im Zimmer unzählige Zündschnüre ab. Der andere Mann floh. Die Tür knallte hinter ihm zu … obwohl er sie nicht berührt hatte.
    Benommen setzte sich Amelia auf, und das gebrochene Licht verkümmerte zu einem schwachen blauen Glanz, der sich um die Silhouetten der beiden Männer legte. »Cam?«, fragte sie zögerlich.
    Seine Stimme war leise und aufgewühlt. »Alles in Ordnung, kleiner Kolibri. Komm her.«
    Als sie auf die Männer zuging und das Gesicht des Eindringlings erkannte, keuchte sie laut auf. » Leo ! Was tust du … wie bist du …?« Ihre Stimme stockte, als sie die Pistole in seiner Hand sah.
    Sein Gesichtsausdruck war ruhig, sein Mund zu einem gequälten Lächeln verzerrt. »Das wollte ich dich ebenfalls fragen«, sagte er sanft. »Was zum Teufel tut ihr hier?«
    Amelia sank neben Cam zu Boden, doch ihr Blick blieb auf ihren Bruder geheftet. »Poppy hat deinen Brief gefunden«, sagte sie atemlos. »Wir sind hergekommen, weil wir fürchteten, du könntest dir … etwas antun.«
    »So war das eigentlich auch geplant«, erwiderte Leo. »Auf dem Weg habe ich jedoch einen Abstecher zur Dorfschenke gemacht. Und als ich schließlich hier ankam, war es für meinen Geschmack zu voll.
Ein Selbstmord ist eine Angelegenheit, für die man sich ein gewisses Maß an Privatsphäre wünscht.«
    Die Gelassenheit ihres Bruders war erschreckend. Amelias Augen huschten zur Pistole in seiner Hand, dann zurück zu seinem Gesicht. Ihre Hand kroch zu Cams angespanntem Oberschenkel. Der Geist war bei ihnen, dachte sie. Die Luft hatte Amelias Wangen betäubt, weshalb sie Schwierigkeiten hatte, die Lippen zu bewegen. »Mr. Frost war auf Schatzsuche«, erzählte sie ihrem Bruder stockend.
    Leo warf ihr einen skeptischen Blick zu. »Ein Schatz, in dieser Müllhalde?«
    »Nun, Mr. Frost hat vermutet …«
    »Nein, mach dir keine Mühe. Leider interessiert es mich nicht im Geringsten, was Frost vermutet hat. Dieser Idiot.« Leo sah zu der Pistole hinab, und sein Daumen fuhr beinahe zärtlich über den Lauf.
    Amelia hätte nie gedacht, dass ein Mann, der mit dem Gedanken spielte, sich das Leben zu nehmen, so ruhig sein konnte. Ein zerstörter Mann in einem zerstörten Haus, schoss es ihr durch den Kopf. Jede Faser seines Körpers schrie geradezu vor verzweifelter Resignation. Dann blickte er zu Cam. »Ihr müsst sie von hier wegbringen«, bat er leise.
    »Leo …« Amelia zitterte. Wenn sie ihn hier zurückließ, würde er sich umbringen, davon war sie überzeugt. Aber ihr fiel nichts ein, was sie hätte sagen können – zumindest nichts, das nicht theatralisch, absurd oder töricht geklungen hätte.
    Der Mund ihres Bruders zuckte leicht, als sei er zu erschöpft, um zu lächeln. »Ich weiß«, sagte er behutsam. »Ich weiß, was du willst und was du nicht willst.
Ich weiß, du wünschst dir, ich wäre stärker. Aber das bin ich nun einmal nicht.«
    Er verschwamm vor ihren Augen. Amelia spürte, wie ihr Tränen die Wangen
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