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Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Autoren: Victoria Alexander
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Gedanken verwarf sie sogleich wieder. Vertrauen, Gabriella, ermahnte sie sich.
     
    Es war weit nach Mittag, als sie endlich bei der Antikengesellschaft ankamen. Das Gutachterkomitee hatte sich vertagt, und die jährliche Generalversammlung würde in wenigen Minuten beginnen.
    In dem Moment, in dem Gabriella begriff, dass sie zu spät wären, hatte sich ein bleiernes Gewicht auf ihre Brust gelegt. Dennoch wäre es verfrüht, schon aufzugeben. Sie entdeckte Mr Beckworth inmitten der Menge auf den Korridoren und lief zu ihm, dicht gefolgt von Florence und Mr Dennison.
    »Mr Beckworth!«, rief sie.
    »Gabriella!« Der Direktor lächelte besorgt. »Ich hörte von dem Feuer. Eine scheußliche Sache. Geht es Ihnen gut?«
    »Sehr gut, danke. Mr Beckworth …« Sie hielt den Atem an. »Hat Mr Harrington dem Komitee das Siegel meines Bruders vorgelegt?«
    »Tut mir leid, meine Liebe, aber ich habe Mr Harrington nicht mehr gesehen, seit Sie mit ihm in meinem Büro waren.«
    »Aha«, sagte sie langsam. Ein schreckliches Gefühl der Niederlage und Enttäuschung durchfuhr sie, und ihre Verzweiflung schnürte ihr die Kehle zu. Doch sie wollte nichts davon zeigen. Stattdessen rang sie sich ein höfliches Lächeln ab. »Ich danke Ihnen, Mr Beckworth.«
    »Da Sie schon mal hier sind, werden Sie hoffentlich an der Mitgliederversammlung teilnehmen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Im Grunde bin ich gar kein Mitglied der Gesellschaft.«
    »Ich weiß, meine Liebe, aber mir scheint, Sie haben bisher stets alles mitverfolgt«, sagte Mr Beckworth lächelnd. »Von der oberen Galerie aus, versteht sich, wo auch die anderen Damen sitzen.«
    »Ich denke nicht …«
    »Natürlich wird Miss Montini dabei sein«, sagte Florence gelassen. »Sie würde es um keinen Preis versäumen wollen.«
    »Wunderbar.« Mr Beckworth nickte und ging.
    »Komm mit.« Florence hakte sich bei Gabriella unter und führte sie zu den Treppen, über die man auf die Zuschauergalerie gelangte. »Wenn wir nicht sofort gehen, bekommen wir keine guten Plätze.«
    »Ich möchte gar nicht zusehen«, sagte Gabriella, die sich jedoch nicht gegen Florence wehrte.
    Mr Dennison war verschwunden, aber warum sollte er sich auch anders verhalten als alle anderen heute? Und wenn sie ehrlich sein sollte, fehlte Gabriella der Elan, irgendetwas zu unternehmen. Ihr war, als hätte sie zu lange in der Kälte gestanden und wäre nun überall taub. Allerdings wusste sie auch, dass diese Taubheit weichen und an ihrer Statt Verzweiflung und Wut kommen würden. Er hatte sie im Stich gelassen. Sie hatte ihm vertraut, und er ließ sie im Stich. Das Seltsamste war, dass sie ihm trotzdem noch vertraute. Vielleicht weil ihr Unglück umso größer wäre, würde sie sich eingestehen, welchen Fehler sie begangen hatte. Und dazu war sie noch nicht bereit.
    Sie fanden Plätze in der vordersten Sitzreihe, gleich hinter der Brüstung. Jeden Moment würde die Versammlung beginnen. Vorn unten im Saal war ein wenig Unruhe, wie es aussah, gleich an der Tür nahe dem Podest. Florence lehnte sich näher an die Brüstung, um etwas zu erkennen. Derweil starrte Gabriella blind vor sich hin. Alles war gleichgültig. Nichts zählte mehr, als dieser entsetzliche Schmerz, der in ihr wuchs, nahe ihrem Herzen.
     
    »Nun?« Nate sah seinen Bruder an.
    Sterling lachte leise. »Es ist nicht leicht, eine Bitte des Earls of Wyldewood abzuschlagen.«
    »Hervorragend«, sagte Nate mit einem erleichterten Seufzer.
    Mr Dennison kam zu ihnen gelaufen und nickte. »Sie sitzt auf der Galerie. Es war eine ausgezeichnete Idee, diesen Teil in die Hände von Miss Henry zu legen, Sir.«
    »Ich werde ihr später danken … und Ihnen auch.« Nate wandte sich zu Quinton. »Und?«
    »Hier.« Quinton schleuderte ihm ein offenes dünnes Buch entgegen. »Dies sind die Regeln der Gesellschaft. Ich habe die markiert, auf die du dich berufen musst.«
    »Danke.«
    »Du solltest mir wahrlich danken«, entgegnete Quinton grinsend. »Es geht gegen alles, woran ich glaube, Regeln irgendwelcher Art zu studieren. Aber … einer für den anderen.«
    Nate erwiderte sein Grinsen, nickte Sterling zu und schritt in den Saal.
     
    Der Direktor nahm seinen Platz auf dem Podium ein, schlug mit dem Hammer und rief die Versammlung zur Ordnung. Alles wurde still. Mr Beckworth begann wie immer, hieß die Mitglieder willkommen und trug die Tagesordnung vor. Gabriella hörte gar nicht recht hin. Dabei hatte sie die Versammlung früher stets genossen. Selbst auf der
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