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Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Autoren: Nikolai Gogol
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Willen gesehen.« Mit diesen Worten ging der Arzt in schöner Haltung aus dem Zimmer. Kowaljow hatte in seiner tiefen Erregung sein Gesicht gar nicht gesehen und nur die aus den Ärmeln seines schwarzen Fracks hervorlugenden schneeweißen Manschetten bemerkt.
    Am nächsten Tag entschloß er sich, bevor er eine Klage einreichte, der Frau Stabsoffizier zu schreiben: ob sie nicht bereit wäre, ihm kampflos das, was ihm gehörte, zurückzugeben. Der Brief lautete wie folgt:
Sehr geehrte Alexandra Grigorjewna!
Ich kann Ihre Handlungsweise, die für einen Unbeteiligten so befremdend ist, unmöglich begreifen. Seien Sie versichert, daß Sie, wenn Sie so handeln, gar nichts erreichen und mich keineswegs zwingen können, Ihre Tochter zu heiraten. Glauben Sie mir: die Geschichte mit der Nase ist mir gut bekannt, genau wie der Umstand, daß Sie und niemand anders die Hauptschuldige sind. Das plötzliche Verschwinden derselben von ihrem Platze, ihre Flucht und ihr Auftauchen erst in der Gestalt eines Beamten, dann in ihrer eigenen Gestalt ist nur eine Folge der Hexereien, die von Ihnen oder von anderen, die sich gleich Ihnen mit dergleichen Dingen beschäftigen, betrieben werden. Ich meinerseits halte es für meine Pflicht, Ihnen zu erklären: wenn die erwähnte Nase sich nicht noch heute auf ihrem Platze befindet, werde ich mich gezwungen sehen, den Schutz der Gesetze anzurufen.
Im übrigen verbleibe ich in vorzüglicher Hochachtung
 
Ihr ergebenster Diener  
 
Platon Kowaljow.
    ***
Sehr geehrter Herr Platon Kusmitsch!
Ihr Brief hat mich in höchstes Erstaunen versetzt. Ich muß Ihnen offen gestehen, daß ich es von Ihnen niemals erwartet hätte, am allerwenigsten aber Ihre ungerechten Anklagen. Ich versichere Ihnen, daß ich den Beamten, von dem Sie sprechen, weder in einer Maskierung, noch in seiner wahren Gestalt bei mir empfangen habe. Mich hat wohl Philipp Iwanowitsch Potantschikow besucht. Er hat sich zwar wirklich um die Hand meiner Tochter beworben, aber ich habe ihm, obwohl er ein trefflicher, nüchterner Mensch und sehr gebildet ist, keinerlei Hoffnung gegeben. Sie sprechen auch noch von der Nase. Wenn Sie damit meinen, ich hätte Ihnen eine Nase drehen, d.h. Sie abweisen wollen, so wundere ich mich, daß Sie selbst davon sprechen, während ich, wie Sie selbst wissen, anderer Ansicht war: wenn Sie jetzt gleich in üblicher Form um die Hand meiner Tochter anhalten, so bin ich bereit, Ihren Wunsch zu erfüllen, denn dies war immer auch mein sehnlichster Wunsch. In dieser Hoffnung bin ich, stets zu Ihren Diensten,
 
Alexandra Podtotschina.
    »Nein,« sagte Kowaljow, als er den Brief gelesen, »sie ist unschuldig. Es kann nicht sein! Der Brief ist so abgefaßt, wie ihn ein Mensch, der ein Verbrechen auf dem Gewissen hat, niemals abfassen kann.« Der Kollegien-Assessor verstand sich darauf, da er im Kaukasusgebiet schon öfters an gerichtlichen Untersuchungen teilgenommen hatte. »Auf welche Weise mag es so gekommen sein? Da kennt sich nur der Teufel aus!« sagte er zuletzt und ließ die Hände sinken.
    Inzwischen hatte sich das Gerücht über dieses außergewöhnliche Ereignis in der ganzen Residenz verbreitet, und zwar, wie es so geht, nicht ohne gewisse Ausschmückungen. Damals waren alle Geister für das Übersinnliche eingenommen: das Publikum hatte sich erst vor kurzem für die Versuche mit dem Magnetismus interessiert. Auch waren die tanzenden Stühle in der Konjuschennaja-Straße noch so frisch in Erinnerung, daß es nicht zu verwundern ist, daß bald darauf das Gerücht aufkam, die Nase des Kollegien-Assessors Kowaljow spaziere um drei Uhr auf dem Newskij-Prospekt. Nun versammelte sich da jeden Tag eine Menge von Neugierigen. Jemand erzählte, die Nase halte sich im Junckerschen Kaufladen auf, und neben Juncker entstand ein solcher Auflauf, daß sogar die Polizei einschreiten mußte. Ein Spekulant von ehrwürdigem Aussehen mit Backenbart, der vor dem Theater trockenes Gebäck verkaufte, ließ schöne, feste Holzbänke anfertigen, auf denen die Neugierigen gegen Bezahlung von achtzig Kopeken stehen durften. Ein verdienter Oberst verließ eigens zu diesem Zweck seine Wohnung und drängte sich mit Mühe durch die Menge; aber zu seiner großen Entrüstung sah er im Fenster des Kaufladens statt der Nase eine ganz gewöhnliche wollene Unterjacke und eine Lithographie, die ein junges Mädchen darstellte, das seinen Strumpf in Ordnung brachte, und einen Gecken mit modischer Weste und einem Spitzbart, der sie hinter
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