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Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden
Autoren: P Probst
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Söhne.«
    »Ich würde mich umbringen, wenn meine Kinder Nazis wären«, sagte das Mädchen und lächelte traurig.
    »Es gibt viele gute Gründe, sich umzubringen«, sagte der Junge mit den Piercings.
    Schwarz begriff, dass er wegen eines Knopfs in der Zunge lispelte. »Habt ihr die Razzia beobachtet?«
    »Wir treffen uns, bevor wir weggehen, immer an der Friedenheimer Brücke«, sagte der Anführer, »haben zuschauen können, wie die Bullen aufräumen.«
    »Und? Haben die welche festgenommen?«
    »Ich glaube, alle.«
    »Waren da zwei Glatzköpfe dabei, die wie Brüder aussehen?«
    »Weiß nicht. Dazu waren wir zu weit weg.«
    Schwarz setzte sich zu den Jugendlichen auf die Mauer. »Und was sucht ihr jetzt hier?«
    »Wir schauen noch ein bisschen den Zügen zu.«
    »In Zügen«, sagte das Mädchen, »sitzen Menschen, die vielleicht bald sterben, Züge haben Menschen in den Krieg transportiert.«
    »Manche werfen sich auch vor Züge«, sagte Schwarz. »Ihr seid doch wegen Tim Burger hergekommen.«
    Der Anführer lächelte herablassend. »Und wenn?«
    »Was interessiert euch an ihm?«
    Ein ICE machte die Verständigung unmöglich. Schwarz starrte auf den vorbeifliegenden roten Farbstreifen und dachte an seinen Alptraum.
    »Wir träumen nur vom Tod«, sagte das Mädchen, »er hat ernst gemacht.«
    »Tim war ein furchtloser Held des Todes«, sagte der lispelnde Junge.
    »Blödsinn«, widersprach Schwarz. »Burger war keine Comic-Figur. Er war ein von Hass zerfressener Mensch. Er hat alle gehasst, die irgendwie anders waren – Leute wie euch zum Beispiel. Er war bereit, auf der großen Demo Männer, Frauen und kleine Kinder in die Luft zu sprengen.«
    »Glaube ich nicht«, sagte der Anführer. »Das war sicher nur Show, um auf sich und seinen Tod aufmerksam zu machen.«
    »Von wegen.« Schwarz sprang auf. »Er hat eine Handgranate gezündet. Er konnte nicht ahnen, dass sie nicht funktionieren würde. Dann ist der Feigling abgehauen und vor den Zug gerannt. Tim Burger war kein Held, er war ein Arschloch.«
    »Wie hart ist der denn drauf?«, sagte der lispelnde Junge und wandte sich ab. Die ganze Gruppe schwieg jetzt. Einige starrten in die Kerzenflammen, andere blickten melancholisch über die Gleise. Alle taten so, als wäre Schwarz nicht mehr da.
    Nur das Mädchen sah ihn an. »Es geht Ihnen schlecht wegen Ihrer Söhne, nicht?«
    Schwarz vergaß einen Moment lang, dass er gar keine glatzköpfigen Söhne, sondern eine politisch eher unverdächtige Tochter hatte, und nickte dankbar.
    »Übrigens sind Sie nicht der Erste, der uns nach den Nazis fragt. Kurz nach Tims Tod wollte schon mal einer wissen, wo die sich treffen.«
    Schwarz wurde hellhörig. »Was war das für ein Typ?«
    »Ein total fertiger«, sagte der Anführer, »einer, der schon zum Frühstück Jägermeister trinkt und sich nur deshalbeinen Zopf bindet, damit man nicht sieht, dass er nie die Haare wäscht.«
    »Hat er gehinkt?«
    Das Mädchen nickte. »Kennen Sie den Mann?«
    »Noch nicht.«
     
    Auf der Wiese unterhalb des Bahndamms stand jetzt ein Mann in Lederhosen und erbrach sich. Ein paar Meter weiter hockte eine Frau im Gras, ordnete ihr Dirndl und schimpfte vor sich hin. Schwarz machte einen großen Bogen um beide, stieg auf sein Fahrrad und radelte los.
    Kurz vor dem Laimer Bahnhof kam ihm die Idee, dass es vielleicht noch nicht zu spät war, seinen Auftraggeber anzurufen. Er wählte die Nummer.
    »Guten Abend, Herr Engler, Schwarz hier. Ich hoffe, Sie haben noch nicht geschlafen?«
    »Ach was. Sie wissen doch: mein verkorkster Tag-Nacht-Rhythmus.«
    »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich gut vorankomme.«
    »Wirklich? Erzählen Sie!«
    »Also, der ältere der drei hat offenbar eine Behinderung, vielleicht trägt er eine Beinprothese. Er stammt aus der Tölzer Gegend.«
    Schwarz wartete auf eine Reaktion. »Herr Engler, sind Sie noch da?«
    »Ja.«
    »Haben Sie mich verstanden?«
    Wieder schwieg der Lokführer lange, dann räusperte er sich. »Es ist mir etwas unangenehm, Herr Schwarz, aber eigentlich will ich gar nicht wissen, was das für Spinner waren.«
    »Spinner?« Schwarz glaubte, nicht recht zu hören. Was sollte denn das? Jetzt, da er herausgefunden hatte, dass Engler keineswegs paranoid, und die Bedrohung real war, machteder einen Rückzieher? »Darf ich erfahren, wieso Sie es sich plötzlich anders überlegt haben?«
    »Ja, sicher. Ich bin heute noch mal Probe gefahren und dabei ist es mir sehr gut gegangen. Da habe ich beschlossen, mir
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