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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)
Autoren: Heike Koschyk
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waren, spürte sie, dass es an einem solchen Ort keinen Teufel geben konnte.
    Dann war es still. Elysa wandte sich wieder dem zerstörten Dachstuhl zu. Regentropfen fielen in ihr Gesicht, als sie sich unter das klaffende Loch stellte und mit den Augen die Höhe maß.Selbst für einen sehr großen Mann waren die Balken zu hoch, es gab niemanden, der mit ausgestrecktem Arm das trockene Holz hätte zünden können. Es sei denn …
    »Furchtbar, nicht wahr?«
    Elysa schrak zusammen. Sie hatte Margarete nicht kommen hören. Erstaunt drehte sie sich um. Das Schlussgebet war verklungen, Nonnen und Novizinnen befanden sich bereits auf dem Weg zum Westportal.
    »Lass uns gehen«, sagte Margarete. »Ich möchte sehen, ob du für die Handarbeit begabt bist.«
    »Warte!« Elysa sah sie flehend an. »Erzähl mir, was vorgefallen ist.«
    Margarete seufzte. »Ich sehe ein, dass du ein Anrecht auf eine Erklärung hast. Nun, da dieser unselige Ort deine Heimat werden soll.« Sie sah sich hastig um, dann fuhr sie fort. »Nachdem Mönch Adalbert von Zwiefalten bei uns Zuflucht gesucht hatte, passierten seltsame Dinge. Die Schwestern sprechen von Teufelswerk …«
    »Was für seltsame Dinge?«
    »Als Adalbert kam, war er in einem furchtbaren Zustand. Um Jahre gealtert, die Haare schlohweiß, mit nackten Brauen und wimpernlosen Augen. Schwester Jutta, die Medica des Klosters, sagte, die Luftgeister hätten Besitz von ihm ergriffen, und nachdem er die Medizin verweigert hatte, verlegte sie sich aufs Beten. Doch Gott der Herr hatte andere Pläne. Am nächsten Morgen fand man Adalbert tot auf. Noch am selben Tag starb Schwester Elisabeth an furchtbaren Krämpfen. Ich hörte, wie sie litt, aber ich dachte, es käme von der Völlerei, denn es war zur Zeit des Morgenmahls.«
    »Woher kamen die Krämpfe?«
    »Ich weiß es nicht, Schwester, aber du kannst mir glauben, dass es seitdem viele Nonnen gibt, die morgens lieber fasten, so wie es der heilige Benedikt vorgesehen hat.«
    »Sie glauben, es sei eine Strafe?«
    »Die Regeln erlauben nur eine warme Mahlzeit am Tag und im Sommer noch etwas Brot am Abend. Aber die selige Meisterin war gegen die strenge Askese, und so führte die Priorin zum Getreidebrei am Morgen auch noch das tägliche Brot am Abend ein, selbst in den Wintermonaten.«
    »Und was glaubst du?«
    Margarete sah sie überrascht an. »Ich weiß nicht, was ich erzählen kann und was nicht«, begann sie zögernd, »aber mein Herz quillt über von all der Traurigkeit und den Worten, die ich zurückhalte, weil ich mich niemandem offenbaren darf.«
    Elysa nahm schweigend Margaretes Hände.
    »Warum Elisabeth starb, kann ich nicht sagen, aber in einem anderen Punkt glaube ich etwas zu wissen.«
    »Der Mönch?«
    »Ich habe ihn gefunden«, flüsterte die Nonne und senkte den Kopf. »Ich glaube nicht an das, was Jutta sagt. Auch wenn ich mich in der Krankenpflege nicht auskenne, so weiß ich doch um all die Wirkungen von Pflanzen und Mineralien aus den Werken unserer Bibliothek.«
    Die Nonne sah auf, und ihre Augen funkelten. »Ich habe ganz alleine das De Medicina des Isidor von Sevilla für unsere Klosterbibliothek kopiert. Und, bei Gott, in einem bin ich mir sicher: Adalbert von Zwiefalten wurde vergiftet!«

5
    V ergiftet?« Nachdenklich strich sich Clemens von Hagen über das Kinn. »Was habt Ihr noch erfahren?«
    Der Kanonikus hatte sich auf einem kleinen Schemel neben der Schlafstatt niedergelassen, auf der Elysa saß. Es war die Zeit der Mittagsruhe.
    »Schwester Otilie hat den Mönch eingelassen. Er war verwirrt, sprach in fremder Mundart. Und doch konnte die Pförtnerin eines der Worte verstehen, das im Norden gebräuchlich ist und für den Teufel verwendet wird.«
    Das sichere Gefühl, das Elysa während des Chorgesanges empfunden hatte, war verschwunden und hatte einer schwelenden Sorge Platz gemacht.
    »Zweifellos hat Bruder Adalbert Furchtbares erlebt«, sagte Clemens düster. »Ich habe von einem Mann gehört, der von einer Schlacht zurückkam, um Jahre gealtert und mit weißem Haar, obgleich er fast noch ein Kind war.«
    »Aber wie erklärt Ihr dann Adalberts Tod? Schwester Margarete erzählte, dass sie ihn mit weit aufgerissenen Augen fand, das Antlitz blau verfärbt.«
    »Gewiss, es ist nicht auszuschließen, dass auch Gift einen Menschen derart zu entstellen vermag. Vielleicht aber will man uns nur glauben lassen, dass er vergiftet worden ist.« Der Kanonikus wiegte den Kopf, schien für einen Moment versunken in
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