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Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Autoren: Martina Kempff
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ja auch hier, aber sie ist einfach nicht wiedergekommen.«
    »Wann war das?«, frage ich.
    »Vorgestern«, flüstert er.
    »Vorgestern! Warum zum Teufel hast du deine Frau bei der Polizei
nicht als vermisst gemeldet?«
    »Polizei! Das geht doch nicht!«, erwidert er entsetzt. »Ich kann mir
keinen Skandal leisten. Sie wird schon wiederkommen. Ich kenne sie. Es ist ihre
Art, mich zu bestrafen.«
    »Also hattet ihr Streit?«
    Er hebt die Schultern. »Nur eine kleine Auseinandersetzung«, wiegelt
er ab.
    »Weil du die Kellnerin angemacht hast?«, kann ich mich nicht
enthalten zu fragen, füge aber rasch hinzu: »Darunter würde sie doch nicht ihr
Enkelkind leiden lassen!«
    »Sie denkt bestimmt, dass sich im Hotel die nette junge Frau Marion
um Vinzenz kümmert, die ihn uns schon am zweiten Tag abgenommen hat. Aber die
hat heute frei. Und weil ich hier sonst niemanden kenne …«
    »… hast du dir deine Google-Information über mich zunutze gemacht
und willst das Kind bei mir abladen, bis sich Madame wieder bequemen, Gatten
und Enkel die Ehre zu erweisen!«
    »Ganz so ist es nicht«, verteidigt er sich und sie. »Ich habe mich
wirklich darauf gefreut, dich wiederzusehen. Ist ja auch ein unglaublicher
Zufall, dass du ausgerechnet …«
    »Und wenn ihr nun was passiert ist?«, unterbreche ich ungeduldig.
    »Doch nicht Gaby!«, ruft er. »Die ist sehr zäh, hat einen schwarzen
Gürtel, kann sich jedes Angreifers erwehren und ist bei allem, was sie tut,
außerordentlich umsichtig.«
    Erstaunlich. Da erfahre ich in wenigen Minuten mehr über Gaby von
Krump-Kellenhusen als zuvor in vierzehn langen Jahren. Hans-Peter hatte sie mir
früher als ein kapriziöses Persönchen mit labilem Charakter beschrieben, eine
Societydame, die wegen ihrer psychischen Probleme gänzlich von ihm abhängig und
nur an Shoppen, ihrer Frisur und dem Erhalt ihrer Ehe interessiert gewesen sei.
    »Wenn sie hier in zersprengten Bunkern rumkraxelt, kann sie in eine
Spalte gefallen sein …«
    »Unmöglich«, wehrt er ab, »da ist sie in Indien schon in ganz
anderen Massiven herumgeturnt. Sie ist eine geübte Bergsteigerin und sichert
sich immer ab.«
    Mit den Bergen hatte er es ja auch. Eine ferne Erinnerung an seinen
Lustschrei »Matterhorn« steigt in mir auf. Sogar den hatte ich offenbar nur
geborgt.
    Jetzt, da Hans-Peter so gar keine zärtlichen Gefühle mehr in mir
auslöst, würde ich diese Frau sehr gern kennenlernen.
    »Schau mal, wer hier ist!«
    Gudrun tritt zur Seite und gibt den Blick auf unseren Freund Marcel
Langer frei. Ich schüttele den Kopf. Nicht über den schwarzen Fleck, den ihm
offenbar ein kappenloser Filzstift auf die hellblaue Hemdtasche geschmiert hat.
Solches bin ich bei diesem liebenswerten belgischen Schludrio gewöhnt. Aber das
Windelpaket in seiner vom Körper abgespreizten Hand wirkt schon arg
verfremdend.
    »Das ist ein alter Freund von Katja aus Berlin«, erklärt Gudrun
begeistert.
    » Der alte Freund?«, fragt Marcel gedehnt.
Er kennt meine Vergangenheit. Als Einziger. Weil ich in eine Mordgeschichte
verwickelt gewesen war und er Informationen über mich benötigte. Von meinen
anderen Eifeler Freunden hat mich noch nie jemand nach meinem Leben vor der Kehr
befragt. Höflichkeit oder Desinteresse, hatte ich mich in der ersten Zeit
gewundert. Heute weiß ich, dass es keines von beiden ist. In diesem Grenzgebiet
hat man jahrzehntelang die direkte Frage den Zöllnern überlassen und erachtet
es heute noch als ungehörig, eine solche zu stellen. Man gesteht jedem das
Recht zu, sein Geheimnis zu schützen. Wiewohl man sich natürlich auf diskrete
Weise bemüht dahinterzukommen. Zudem gehört zum Überleben in diesem rauen Land
seit jeher die Kunst dazu, alles Unerwartete und Unvertraute erst einmal mit
Missachtung zu strafen. Ganz gleich, ob man nun einem Tornado, einem Krieg,
einem Wildschwein, einem Ehebruch oder einem fremden Menschen ausgesetzt ist.
Weder bereitet man sich darauf vor, noch wird es hinterher aufgearbeitet. Man
verharrt, bis das Störende von selbst vorübergeht, man wieder normal
weitermachen und so tun kann, als wäre es nie geschehen. Bleibt das Neue, wie
ich zum Beispiel auf der Kehr, findet man Wege, es auf möglichst günstige Weise
ins eigene Leben einzufügen, falls man es nicht irgendwie ausmerzen kann. Sogar
Marcel Langer, der Polizeiinspektor aus Sankt Vith, hält außerhalb der
polizeilichen Ermittlungsarbeit jegliche Form von Vergangenheitsbewältigung und
Ursachenforschung, ja sogar die
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