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Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Autoren: Martina Kempff
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verirrte
blonde Haarsträhne aus dem leicht geröteten Gesicht.
    Verunsichert blickt er von ihr zu mir.
    »Gern«, antwortet er höflich, das Angebot als Aufforderung
missverstehend: »Wo ist er denn?«
    Ich bekomme vor lauter Lachen einen Schluckauf und kann nicht
antworten.
    »Mache ich frisch«, erwidert Gudrun, der die kleine Kommunikationsstörung
entgangen ist. »Sie können auch einen Schnaps haben, wenn Ihnen jetzt danach
ist. Und der Hund ist wirklich lieb. Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich bin
gleich wieder da.«
    Als ob ihn das vor mir schützen würde.
    Sie packt den widerstrebenden Linus am Halsband und zerrt ihn ins
Haus.
    Jetzt tritt Hans-Peter näher. Ich werde augenblicklich ernst, erhebe
mich und blicke meiner tot gewünschten Vergangenheit in die Augen.
    »Warum bist du so plötzlich aus Berlin verschwunden?«, fragt er und sieht
mich mit dem Dackelblick an, der mich früher immer zum Schmelzen gebracht hat.
Er streckt die Hand aus, zieht sie aber ungeschickt wieder zurück. Schließlich
habe ich mir meine von Linus ablecken lassen. Da kriegt der hundelose
Großstädter Kontakthemmungen. Was mir nur recht ist.
    »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig«, erkläre ich und drehe
mich einfach um. Er folgt mir mit dem Säugling auf dem Arm ins Haus und stößt
fast mit Gudrun zusammen, die geräuschvoll die Tür zum künftigen Raucherzimmer
ins Schloss fallen lässt.
    »Beim Googeln habe ich dein Restaurant gefunden«, erklärt er, lässt
sich unaufgefordert auf einem Küchenstuhl nieder, das Kind umständlich auf
seinem Schoß platzierend.
    »Da siehst du’s!«, ruft Gudrun. »Hein hat dir doch gesagt, dass der
Internetauftritt was bringt! Wie schön, dass du dadurch einen alten Freund
wiedergetroffen hast! Ich bin die Gudrun.«
    »Hans-Peter Kellenhusen«, sagt er, Gudruns ausgestreckte Rechte
ergreifend, ohne sich zu erheben. Er nickt zu dem Wurm hinunter: »Bin leider
nicht so gut im Umgang mit dem Kleinen.«
    »Liegt wohl kaum an mangelnder Übung«, quetsche ich hervor. Hörbar
schnappe ich nach der Luft, in der er den nächsten Satz kurz hängen lässt:
»Meine Kinder sind aus dem Haus.«
    Wenn die Kinder aus dem Haus sind …
Jahrelang hat er mich damit hingehalten.
    Ich fange mich schnell wieder. »Du wolltest doch Kaffee machen«,
wende ich mich an Gudrun.
    »Bitte keine Umstände«, floskelt er.
    »Natürlich nicht«, versetze ich, deute auf das Kind und füge hinzu:
»Wenn du schon eine Dame in andere gebracht hast. Meine Nachfolgerin?«
    »Meine Tochter«, murmelt er. Wohl um nicht noch schlimmere
Missverständnisse aufkommen zu lassen, fügt er eilig hinzu: »Sie ist die
Mutter. Das ist mein Enkelkind. Vinzenz.«
    »Falls Sie Zucker und Milch holen …«, bemerkt Gudrun und stellt
Zuckerdose und Milchkännchen vor ihm hin.
    »Danke«, antwortet er und setzt mit unerträglicher Wohlerzogenheit
hinzu: »Wenn euch Milch und Zucker ausgegangen sind, übernehme ich gern den
Einkauf.«
    »Den würdest du hier überholen«, bemerke ich und kläre dann rasch
auf: » Nehmen heißt auf Eifelerisch holen .« Ich will ihn nicht erlösen, sondern ohne weitere
Ablenkung den Grund seines Aufkreuzens erfahren.
    Er kommt dann auch sehr schnell zur Sache. Das Kind muss gewickelt
und gefüttert werden. Mit beidem habe er Probleme.
    »Warum hat deine Tochter dir das Baby überhaupt aufgehalst?«
    »Sie leidet unter postnatalen Depressionen«, erwidert Hans-Peter
unglücklich. »Ihr Therapeut hat ihr zu einer Erholungsreise allein mit ihrem
Mann geraten. Da ich aber den Eifelurlaub mit meiner Frau schon gebucht hatte,
nahmen wir kurz entschlossen Vinzenz mit.«
    »Und wieso ist deine Frau plötzlich in den Fütter- und Wickelstreik
getreten?«, will ich wissen. Kopfschüttelnd sehe ich zu, wie Gudrun meinem
alten Lover das Kind vorsichtig abnimmt und es versonnen an sich drückt. Mit neugeborenen
Kälbchen geht sie weitaus weniger liebevoll um.
    »Windeln und Essen sind im Wagen«, raunt er meiner künftigen
Bedienung mit jenem charmanten Grübchenlächeln zu, das ich einst
unwiderstehlich gefunden hatte. Gudrun drückt ihm das Kind wieder in den Schoß
und rennt los.
    »Nun?«, hake ich ungeduldig nach.
    »Sie ist nicht in den Streik getreten«, antwortet er, holt tief Luft
und sagt tonlos: »Sie ist verschwunden.«
    »Wie, verschwunden?«
    »Weg. Einfach weg«, erwidert er. »Sie wollte sich hier in alten
Bunkern nach Mopsfledermäusen umsehen – das ist ihr Forschungsgebiet, und
deswegen sind wir
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