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Payback

Titel: Payback
Autoren: Frank Schirrmacher
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ohne Zweifel der legitime Erfinder des Computers. Brewsters Buch war der Baukasten seines späteren Denkens: Die Vorstellung, dass der Mensch eine Maschine sei, ist Voraussetzung für die Frage, ob dann nicht umgekehrt Maschinen wie Menschen denken können. Und die Erkenntnis, dass nicht-papageienhafte Intelligenz sich in Kommunikation ausdrückt, ist die Voraussetzung für die Einsicht, dass die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine über die Zukunft der Intelligenz entscheidet. Es ist paradox, dass der Mann, der die Grundlagen für intelligente Maschinen legte, gleichzeitig unfreiwillig derjenige war, der, um mit Brewster zu reden, die »Denkpunkte« im menschlichen Hirn schwächte, weil seine Entdeckung die Aufmerksamkeit und das Denken des Menschen fundamental veränderte. Der kleine Junge, der dort aufgeregt und ergriffen in einem Kinderbuch liest, ist ein Musterbeispiel dafür, wie Kinder zu Raketentreibsätzen der Evolution werden. »Eine neue Generation ist ein neues Hirn«, hat Gottfried Benn gesagt, und manchmal baut sie auch neues.
    Wie die beiden Jungen Sergej Brin und Larry Page, die siebzig Jahre nach Alan Turing mit Lego spielen und eines Tages daraus ein Kasten bauten, der nichts weniger war, als der erste Server der Welt.
    Aus diesem bunten Legoturm wurde innerhalb von nicht einmal fünf Jahren Google, das wertvollste Unternehmen der Welt, das in einem einzigen revolutionären Siegeszug Verlage, Zeitungen,Wissenschaften, Schulen und Hochschulen, Börsen und die Kultur in den Grundfesten erschütterte. Generationen von Kindern haben mit Lego gelernt, dass Gedanken zu Bauplänen und Baupläne zu Materie werden können. Sie haben instinktiv gelernt, was Algorithmen sind, wenn sie die Steine sortierten oder ein Haus bauten. Brin und Page haben die Baupläne mit der universellen Grammatik digitaler Kommunikation ersetzt, die den Legoturm nicht nur zu einem Gegenstand der sichtbaren Welt macht, sondern auch zu einem Leuchtturm der unsichtbaren Welt der Gedanken. Das ist das Hirn, das die Bibliothek von Babel steuert. Nicht aus den Laboratorien und Managementseminaren, sondern aus dem Kinderzimmer kommt die letzte große kognitive Wende der Menschheit. Und noch heute dankt Google mit seinen Farben und den Bausteinen, die in allen Google-Niederlassungen der Welt herumliegen. seiner großen Inspiration. Ihr nächstes Ziel, so sagte Larry Page vor ein paar Jahren, sei es, ein weltumspannendes Gehirn für die Menschheit zu bauen.
    »Google ist Turings Kathedrale, und sie wartet auf eine Seele« - mit fast religiöser Inbrunst hat der nüchterne George Dy-son seinen Besuch im Googleplex beschrieben. Bilder von Golden Retrievern, die in Zeitlupe durch Springbrunnen laufen, Menschen, die winken und lächeln, und überall Spielzeug. 10 So, das sagen übereinstimmend alle, die Google vor dem Börsen-gang besucht haben, muss es gewesen sein, als im antiken Griechenland das Denken und im zwölften Jahrhundert in Europa die ersten Kathedralen gebaut wurden. Es ist keine Übertreibung. Es mag heute Google und morgen ein anderes Unternehmen sein. Aber der Legoturm als Kathedrale des neuen kognitiven Zugangs zur Welt bleibt stehen.
    Man kann nicht einmal ahnen, was es bedeutet, wenn in den nächsten Jahren eine Generation auf der Bildfläche erscheint, die Gedanken, neue Ideen und Lebensformen aus dem vorhandenen Wissen so selbstverständlich zusammensetzt, wie Brin und Page ihren Legoturm zusammensetzten. Aber das ist nur die eine Variante. Die andere ist die Frage, wie sie mit all dem auf der Welt umgehen, das nicht aus Bausteinen besteht.
    Die Generation der heute 18-Jährigen kennt keine Welt ohne Computer. Können sie unsere Überforderung mit der Informa-tionsflut nachvollziehen? Spüren sie sie überhaupt? Haben sie ein ganz anderes Selbstverständnis? Sind ihre Gehirne also bereits anders verdrahtet als die ihrer Eltern?
    Die elektronische Nabelschnur, die jede neu heranwachsende Generation von Kindern mit dem Computer verbinden wird, ist die Maus. Sie hat die Verständigung zwischen Menschen und Computern revolutioniert, und die Geschichte der Technik kennt keinen zweiten Fall, wo der Gebrauch einer neuen Technologie auf das
Zeigen
zurückgeführt werden konnte - einer menschlichen Urgeste, die vor aller Sprache existierte. Seit der Erfindung der Maus gilt für die Entwicklung der Computer, in den Worten George Dysons, nur noch ein darwinistisches Gesetz: »Die natürliche Auslese begünstigt jetzt auf
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