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Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder
Autoren: Hakan Lindquist
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sagte nicht mehr. Er hat erzählt, dass er sich verliebt hätte. Ich weiß nicht, wo oder wie sie sich begegnet sind. Ich glaube nicht, dass er das sagte. Aber ich erinnere mich, dass sie gemeinsam zum Walpurgisfeuer gehen wollten. Paul hatte sogar ein bisschen Feuerwerk gekauft, obwohl Sara es ihm sicherlich verboten hatte. Sie war immer so besorgt, dass er sich verletzen könnte .«
    »Ich weiß«, unterbrach ich ihn. »Das ist Mama immer. Aber wen hatte er getroffen? Wie hieß sie ?«
    Daniel wartete mit der Antwort. »Ich weiß nicht, wen er getroffen hatte. Ich erinnere mich nicht, dass Paul irgendeinen Namen nannte. Aber er erzählte, dass seine neue Bekanntschaft ihn Princi nannte. Er lächelte, als er das erzählte. Und erklärte, dass es das tschechische Wort für Prinz sei. Ich erinnere mich daran, dieser Name passte hervorragend zu ihm .«
    »Hast du ihn denn nie gefragt, wen er getroffen hatte ?«
    »Nein, das habe ich nicht. Aber ich habe Paul gefragt, wie er die Person nennen würde, in die er verliebt war ?«
    »Was hat er geantwortet ?«
    Daniel lächelte. »Er sagte nichts. Er lächelte nur und machte so .« Daniel führte seinen Zeigefinger an die Lippen: »Sssch !«
    »Was meinte er damit ?«
    »Ich weiß es nicht. Ich nehme an, er wollte es mir nicht erzählen .«
    Er blätterte im Fotoalbum. Ab und zu zeigte er auf ein Bild und erzählte etwas über das Motiv. Eine der Seiten unterschied sich von den übrigen; die vier Bilder waren von einer schwarzen Linie eingerahmt. Es waren Fotos von der Beerdigung meines Bruders.
    Der weiße Sarg war auf jedem der Bilder. Mama und Papa waren auch darauf, auch wenn man eigentlich nur Papa erkennen konnte. Die Frau an seiner Seite - Mama - trug einen schwarzen Trauerflor, der ihr Gesicht verbarg.
    Ich versuchte, jemanden zu entdecken, den ich nicht kannte.
    »Glaubst du, sie ist auch auf einem der Bilder ?« , fragte ich.
    »Wer?«
    »Die, in die Paul verliebt war«, erklärte ich. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, Jonas. Die Person, in die Paul verliebt war, ist nicht auf den Bildern .«
    »Nicht? Wie kommt's? Waren sie nicht mehr zusammen ?«
    Daniel antwortete nicht. Stattdessen griff er nach einer Zigarette. Während er sie anzündete, fragte ich weiter. »War es so? Waren sie nicht mehr zusammen? Waren sie Feinde geworden ?«
    »Du fragst so viel .«
    »Aber ich möchte es doch wissen !« , sagte ich. »Warum willst du es nicht erzählen ?«
    Er lachte leise. »Nun, es liegt nicht daran, dass ich etwas verheimlichen will. Aber manchmal ist es besser, man erzählt nicht alles. Jedenfalls nicht alles auf einmal. Ich habe dir jetzt eine Menge erzählt. Vielleicht erzähle ich ein anderes Mal mehr. Später. Wenn du dann noch interessiert bist .«
    »Aber könntest du nicht ... «
    »Nein! Jetzt nicht.«
    »Aber ich möchte doch nur ... «
    Daniel seufzte. »Bitte, Jonas, ich möchte jetzt nichts mehr erzählen. Das musst du nun mal akzeptieren .«
    »Ja«, sagte ich etwas mürrisch, »aber ich möchte es so gerne wissen. Am liebsten würde ich mich selbst an Paul und alles, was geschehen ist, erinnern. Aber das geht ja nicht. Deshalb muss ich doch die Fragen, die ihn kannten. Die, die ihm begegnet sind.« Ich machte eine Pause und schielte zu Daniel hinüber. »Bitte, kannst du nicht noch ein bisschen erzählen ?«
    Daniel beugte sich näher zu mir und verschloss meine Lippen mit seinem Zeigefinger: »Sssch !«

DREI
    Als ich nach Hause kam , lag eine Nachricht auf dem Küchentisch.
     
    Hallo Jonas!
     
    Sind einkaufen. Wollen auch Oma und Opa kurz besuchen. Kommen gegen acht Uhr nach Hause. Im Kühlschrank steht Suppe. Wärm sie dir auf, wenn du Hunger hast.
    Mama
     
    Ich sah auf die Uhr. Viertel nach fünf. Nein, ich hatte keinen Hunger.
    Ich holte den Dachbodenschlüssel.
     
    Der weinrote Koffer stand noch dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte, direkt an der Tür. Fast andächtig holte ich die dunkelgraue Hose und die anderen Kleidungsstücke hervor und legte sie auf die Anrichte.
    Als das Licht ausging, knipste ich meine Taschenlampe an. Dann holte ich die Bücher hervor. Einen Teil davon kannte ich; ich hatte sie mir irgendwann in der Bücherei ausgeliehen. Die Bücher, die ich noch nicht gelesen hatte, legte ich auf einen Stapel.
    Dann nahm ich das erste Fotoalbum. Auf der Innenseite des Ordners hatte jemand geschrieben: Dieses Album gehört Paul Lundberg. 4. November 1967 . Ich kannte die Handschrift, es war die meiner Mutter.
    Auf den ersten
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